Ein Album, auf dem einfach alles stimmt

Saviour Machine - Saviour Machine II

Ich gehöre zu den Leuten, die den seltsamen Hang haben, alles und jeden in Kategorien ein zu ordnen. Wisst ihr was ich meine? Mir ist z. B. die Hautfarbe einer Person egal, da gibt es Wichtigeres... z.B. ob jemand die Bild-Zeitung oder den Spiegel liest - oder auch das Idea Spektrum... Wisst ihr jetzt, was ich meine? So habe ich meine Kategorien und ordne laufend die Menschen, denen ich begegne, in diverse Schubladen ein. Das gibt Struktur.

Natürlich lassen sich auch die Fans von Saviour Machine in diverse Schubladen einordnen. Da gibt es zum einen den turnschuhtragenden, kurzhaarigen White Metal Fan mit blauen Jeans und Legend-I-T-Shirt. In der Regel besitzt dieser neben dem Shirt sogar alle Alben und hört diese auch hin und wieder, obwohl er "diese Art von Musik sonst gar nicht so mag". Man könnte die Vertreter dieser ersten Kategorie auch als fleischgewordenes Indiz für die Fähigkeiten des SM-Managements betrachten, denn dieses dürfte einen gewissen Anteil an den recht hohen Verkaufszahlen außerhalb der eigentlichen Zielgruppe haben.

Womit wir zur zweiten Kategorie kommen. Wer kennt sie nicht? Die White Metaller der ersten Stunde! Wahlweise mit Stryper oder Bloodgood T-Shirt, welches natürlich alt und verwaschen ist und dem Betrachter schon dadurch das Ende der Achtziger mit der Intensität einer blinkenden Leuchtreklame vor Augen hält. Das SM I-Album hat sich unser "Musterbeispiel" noch via Mailorder aus den Staaten importiert, und zwar zu einer Zeit, als die in der alten Welt noch keiner kannte. Saviour Machine I zählt zu seinen Lieblingsalben, was man von den darauf Folgenden nicht behaupten kann. Die kennt er zwar nur vom Hörensagen, aber irgendwie ist das nicht mehr sein Ding.

Gut.

Und dann gibt es ja immer noch Leute wie mich, die das zweite Album am besten finden. Seltsamerweise sind diese aber sehr in der Unterzahl, was ich nicht so ganz verstehe. Es geht mir an dieser Stelle bestimmt nicht darum, den Leser von meiner subjektiven Meinung zu überzeugen - Geschmack ist nun einmal nicht objektiv - ich möchte nur ein paar Gedanken über eine CD weitergeben, die m.E. zu den Besten der Musikgeschichte gehört.

Als SM II im Jahre 1996 herauskam, dürften viele vom Charakter des Albums überrascht gewesen sein. Ob positiv oder negativ, sei erst einmal dahingestellt. Samuel West hatte die Sticks an den Nagel gehängt und wurde von Jason Heart ersetzt. Am Keyboard griff Nathan van Hala zum ersten mal in die Tasten und drückte dem zweiten SM-Album seinen ganz eigenen Stempel auf! Der gitarrenorientierte Goth-Rock früherer Tage musste einem operesken Stil, der Elemente aus vielen Bereichen der Musik beherbergt, weichen.

Dies fällt schon direkt beim Opener "Saviour Machine I" auf. Ausgefeilte Piano- und Gitarrenarrangements, denen man anmerkt, dass die Herren Clayton und van Hala mit Liebe zum Detail an die Arbeit gegangen sind. Note für Note scheint wohlüberlegt zu sein, die Abstimmung der Instrumente untereinander ist perfekt - man ergänzt sich, ohne gegeneinander anzuspielen. Schlagzeug und Bassgitarre bilden eine erstklassige rhythmische Grundlage und beweisen mal wieder, dass es durchaus gelungene Musik jenseits des 4/4-Taktes gibt. Das Songwriting von Mastermind Eric Clayton ist auf einem unheimlich hohen Level, was uns wunderbare Songs beschert, bei denen es schwer fällt, einzelne, besonders gelungene, herauszupicken. Versucht man dies trotzdem, könnte man "Child in Silence", "Love Never Dies" oder auch das geniale "American Babylon" nennen.

Was macht das Album Saviour Machine II so besonders? Als erstes ist hier die musikalische Eigenständigkeit zu nennen - Vergleiche mit anderen Bands laufen fast zwangsläufig ins Leere. Es ist nicht so düster wie die folgenden Alben, hat aber eine unübertroffene Emotionalität. Eine nahezu achtzigminütige Achterbahnfahrt der Gefühle. Des Weiteren habe ich den Eindruck, als ob jeder einzelne Musiker während des Entstehens von SM II auf dem Zenit seines künstlerischen Schaffens gestanden hat. M.E. hat es keiner der Kalifornier noch einmal geschafft, dieses hohe Level zu erreichen. Ich möchte nicht sagen, dass die späteren Alben schlecht waren, aber hin und wieder findet man Dinge, die sich nicht mehr übertreffen lassen. Der Klang von SM II ist beeindruckend!

Verantwortlich dafür dürfte die exzellente Leistung des Mischers sein, dessen Arbeit aber auch durch die Art der Musik vereinfacht wurde. Piano, durchgehend Leadgitarre, Schlagzeug wie Bass und Eric Claytons wunderschöner Gesang haben auf einer Ebene etwas minimalistisches, was dieses Klangerlebnis möglich macht.

Fazit: Saviour Machine II ist ein Album, dass jeder, der emotionale Musik mag und auf Metalgitarren verzichten kann, in seinem CD-Ständer haben muss!

Daniel Keck, 05. 11. 2002


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