Der erste Schritt hinter die Maske

Saviour Machine - Saviour Machine I

"Unto the gods I call your name, the crucifixion of my brain..."

In den Ohren vieler Hörer haben diese Zeilen Musikgeschichte geschrieben, eröffnet das eingängige Stück "Carnival of Souls" nämlich nicht nur das Demo von 1990, sondern - in seiner fertigen Fassung - auch das Debütalbum, Saviour Machine I, mit dem sich das kalifornische Projekt in den frühen Neunzigern erstmals einen Ruf als frühes enfant terrible der christlichen Musikszene machte.

Saviour Machine I ist, auf den Punkt gebracht, anders. Anders als alles, was die christliche Szene jemals zuvor zu hören bekommen hatte; anders als alles, was christliche sowie weltliche Plattenfirmen sich gewünscht hätten, und auch anders als alle weiteren Werke dieser kompromisslosen Band, vor allem in Bezug auf das Songwriting und den Klang. Wie sonst auch brilliert zunächst vor allem Eric Clayton mit seiner unverkennbaren, ausdrucksstarken Stimme, die man hier jedoch fast immer doppelt hört, was ihr zusätzlich eine merkwürdige Qualität verleiht. Die ebenso stark präsenten, von seinem Bruder Jeff gespielten Gitarren haben ein Flair, das man auf ungewöhnliche Weise als "hypnotisch" bezeichnen könnte. Einflüsse aus dem Metal sind zwar gegeben, aber mit dem typischen "Gezwirbel" der Gitarristen jenes Genres hat das hier Gehörte herzlich wenig zu tun. Da es damals noch keinen bandeigenen Keyboarder gab, übernehmen die zuweilen vielschichtigen Gitarren den dominierenden Teil des akustischen Geschehens. Dies ist überdies das einzige Album mit Samuel West am Schlagzeug, der mit seinen dichten Arrangements seinen Teil zur einzigartigen Atmosphäre beiträgt.

Die Texte auf diesem Album sind mindestens so künstlerisch wertvoll wie schwer interpretierbar. Die hohe Dichte in den Texten auftauchender Symbole lässt bereits die aufwändigen Bühnenshows erahnen, für die die Band später bekannt geworden ist. Einige erklärende Bemerkungen von Eric Clayton im Booklet zum später erschienenen "Best of"-Album Synopsis geben Aufschluss darüber, dass viele der Texte aus damaligen persönlichen Krisen heraus entstanden sind. Besonders im achtminütigen "Killer" scheint es um die (negativen) Erfahrungen mit der oberflächlich urteilenden christlichen Szene zu gehen, die die Band besonders in ihren Anfangstagen gemacht hat; "The Wicked Window" strahlt eine gewisse Skepsis gegenüber dem Einfluss der Massenmedien aus, die fast ins Paranoide übergeht. Andere Stücke, wie "Legion" oder "Son of the Rain", enthalten impressionistisch gefärbte Anklänge an die Offenbarung des Johannes, ohne jedoch thematisch allzu explizit bzw. eindeutig zu werden. Das komplexe Werk endet schließlich mit den ineinander übergehenden Stücken "A World Alone" und "Jesus Christ", die es insgesamt auf über 13 Minuten bringen und auch heute noch zu den Favoriten der Fans gehören. Der anfangs etwas überraschende A-cappella-Schluss von "Jesus Christ" ("set us... free") drückt die eschatologische Hoffnung aus und lässt den Hörer mit einem Gefühl der Läuterung zurück.

Mein Fazit: Ein einzigartiges Album, das man gehört haben sollte (vor allem wegen des unbeschreiblichen Stils), und definitiv ein Kultobjekt der düsteren Musik!

Patrick Maiwald, 30. 08. 2005


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