Eine neue dunkle Welle des nicht Kategorisierbaren

Ashton Nyte - Sinister Swing

Die Frage, warum Ashton Nyte als kreativer Kopf und einziges Studiomitglied von The Awakening noch ein zusätzliches Soloprojekt braucht, lässt sich beantworten, wenn man seine drei Solowerke mit den jeweils zeitgleichen Awakening-Scheiben vergleicht:

Im Jahr 2000 war Ashtons erstes Soloalbum The Slender Nudes durch den verstärkten Einsatz von "schrägen" Keyboards (sowie durch Ashtons Kleiderwahl in Booklet und Musikvideo) anscheinend als "buntere" Alternative zu den damals immer düsterer werdenden Awakening-Alben gedacht; zwei Jahre später brachte er mit Dirt Sense eine rohe Rock-n-Roll-Scheibe heraus, um einen musikalischen Ausgleich zur relativ elektronischen EP The Fountain zu schaffen. Dieses dritte Solowerk von 2003 kann man mit seinen Synths (von gelegentlichen Akustikgitarren und Piano aufgelockert) als "helleren" Gegenpol zum eher aggressiven Awakening-Album "Darker Than Silence" auffassen.

Der größte Unterschied zur Musik von The Awakening besteht also wohl in der lockeren Atmosphäre, mit der diese zwölf Stücke (dank der größtenteils gitarrenlosen Instrumentierung, was wirklich viel ausmacht) daherkommen. Insgesamt ist der Eindruck hier viel eher der von "chilliger" Musik. 80er-Pop/Wave-Einflüsse sind nicht von der Hand zu weisen, dennoch trägt jedes Stück eindeutig den Ashton-Nyte-Stempel, vor allem durch den Gesang.

Den Stil von Sinister Swing könnte man als "passionate alternative pop" bezeichnen, wobei neben den "traditionelleren" Sounds auch die Lust am Experimentieren nicht vergangen ist. Schon das erste Stück, "Revival", besticht durch seinen ternär "swingenden" Rhythmus und den unkonventionellen Kopfstimmengesang, der klingt wie nach einer durchzechten Nacht aufgenommen. "White White Noise" ist wohl das Richtige, wenn man versehentlich bis 16:00 geschlafen hat. Auch das letzte Stück, "Fading", strahlt eine gewisse wohlige Müdigkeit aus und passt gut zum Coverbild. Die dissonant verzerrten Akkorde beim peppigeren "Rogue" hingegen klingen fast lustig... Einige Stücke, wie der Ohrwurm "Fingertips" oder das Beinahe-Instrumentalstück "Borrow the Hatchet", könnte man sich allerdings fast wieder auf einer Awakening-CD vorstellen.

Textlich gesehen geht Sinister Swing in verschiedene Richtungen, wobei in fast allen Texten eine gewisse "persönliche" Note festzustellen ist. Oftmals geht es, ähnlich wie z. B. auf Roadside Heretics, um einzelne (oftmals narzistische) Individuen und ihre Probleme. Die Musikindustrie ist ein weiteres Thema in den Songs ("Trivial Things" z. B.), und das obligatorische Liebeslied (komplett mit der Anrede "angel") fehlt natürlich auch nicht. Der Songschreiber kommt am Ende aber immer wieder auf sein zerbrechlicher denn je erscheinendes Selbst zurück, so dass Sinister Swing insgesamt dann doch als sehr "persönliches" Album zu sehen ist. "Ich verbleiche, genau wie ein Mann" [Übers. des Rezensenten] singt er im letzten Stück immer wieder zu sich selber. Anspielungen auf Ashtons Glauben kann ich hier allerdings, im Gegensatz zu allen anderen Alben, keine entdecken.

Trotzdem bleibt Sinister Swing ein interessantes, ausgereiftes und abwechslungsreiches Album, und ein wichtiger Teil des Vermächtnisses dieses vielseitigen südafrikanischen Künstlers. Mit seiner neuen Band Ashton Nyte and the Accused hat er übrigens vor kurzem erneut den Weg des Rock-n-Rolls, den er schon auf Dirt Sense gegangen war, eingeschlagen. Man darf also gespannt bleiben.

Patrick Maiwald, 02. 08. 2005


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=> Ashton Nyte (Homepage)
=> The Awakening (Homepage)

=> The Awakening - The Fountain (Rezension)
=> The Awakening - Sacrificial Etchings (Rezension)
=> The Awakening - Roadside Heretics (Rezension)
=> The Awakening - Darker Than Silence (Rezension)

=> Interview mit Ashton Nyte (Juli 2004)