Eva O ist in jeder Hinsicht ein Unikat. Ein paar Rezensionen der Werke dieser einzigartigen kalifornischen Künstlerin sind längst überfällig geworden. Beginnen möchte ich mit ihrem wohl einschneidensten und spirituell bedeutungsvollsten Album Demons Fall for an Angel's Kiss (erschienen vor zehn Jahren, also 1994).
Um die Bedeutung dieser CD zu erläutern, ist es notwendig, dass ich zunächst genauer auf Eva Os Lebenslauf eingehe: Anfang der Achtziger zog sie direkt nach ihrem Highschoolabschluss nach L.A., wo sie die Girl-Punk-Bands The Speed Queens sowie etwas später die Super Heroines gründete. Dadurch kam sie nach einiger Zeit in Kontakt mit der Band Christian Death, die ja heute als Goth-Rock-Urgestein gilt. Nach ein paar Jahren, in denen Eva immer mal wieder als Aushilfsgitarristin bei Christian Death eingesprungen war, heiratete sie 1987 deren Frontmann Rozz Williams, der im selben Jahr die Band verließ. Die zwei verbanden im Laufe der Neunziger ihre Talente unter dem Namen Shadow Project zu einer düsteren Synthese, und auch Christian Death wurde neu gegründet, diesmal mit Eva O als festem Mitglied.
In jenen Tagen war Eva spirituell alles andere als christlich eingestellt. Sie bezeichnete sich selbst als praktizierende Satanistin und übte sich in der Beschwörung dämonischer Mächte. Das Gerücht, sie könne mit ihren Blicken verfluchen, brachte ihr den Spitznamen "Evil Eva" ein.
In dieser Zeit plante sie ein Konzeptalbum mit dem Titel Angels Fall for a Demon's Kiss, in dem es um den Triumph böser Mächte über das schwächere Gute gehen sollte. Da sie sich mit Dämonen bereits auskannte, las sie zur Vorbereitung auf das Projekt verschiedene Bücher, die sich mit den Engeln der "guten Seite" befassten, darunter auch Angels von Billy Graham. Dieses Buch ließ sie anfangen, an Engel und an die Macht der Liebe zu glauben, und, was noch wichtiger war, es wies ihr den Weg zum Herrn der Engel. Nach einer letzten Konfrontation mit "ihren" Dämonen, die sie später auf der 1999er Scheibe Damnation - Ride the Madness eindrücklich in Szene setzen würde, verabschiedete sie sich für immer von ihrem alten Leben und wurde gläubige Christin.
Ihre neuen Erkenntnisse verarbeitete sie zusammen mit ihrer neuen Band The Halo Experience (ohne Rozz Williams) im vorliegenden Album, dessen Titel zu Demons Fall for an Angel's Kiss umgestellt wurde. Wie der Titel vermuten lässt, geht es vorrangig um Engel als Botschafter Gottes. ("Light a Candle for the Angels..." heißt es z.B. immer wieder in einem Gedicht, dessen drei Strophen sich über das ganze Album verteilen). In Stücken wie "Angel of Death" und "Daydreamer" verarbeitet Eva den Bruch mit ihrem alten Leben. Im Großen und Ganzen sind die Texte allerdings sehr subjektiv und daher etwas schwierig zu interpretieren - die einzige Ausnahme bildet hier die evangelistische Akustik-Ballade "Take a Jesus", deren Text herrlich simpel, aber um so authentischer daherkommt (vor allem, wenn man die Hintergründe ihrer Bekehrung kennt).
Musikalisch betrachtet hat man es hier mit altmodisch-handgemachtem Gothic Rock der eher langsamen Ausprägung zu tun, was nicht heißt, dass in irgendeiner Weise Langeweile aufkommt. In der Dreiviertelstunde, die das Album dauert, wird so manche überraschende Wendung genommen, viele der insgesamt 13 Stücke gehen unerwartet ins nächste über, und es mangelt nicht an "dramatischen" Stellen sowie kreativen Einfällen. Mit dem Klassiker "Children of the Light" von den Super Heroines covert Eva sich sozusagen selber (der ohnehin interessante Text bekommt in diesem Zusammenhang quasi eine ganz neue Bedeutung). Die insgesamt acht auf der CD vertretenen Musiker bilden eine kohärente Einheit; die Mehrheit der Stücke zeichnen sich durch einen definitiv "ausgereiften" Klang aus. Gewöhnungsbedürftig sind dabei auf jeden Fall Evas rauhe Stimme sowie (für mich jedenfalls) die Hammond-Orgel, die der Musik einen nicht zu verachtenden 70er-Anstrich verpasst. Zu empfehlen ist neben allen bereits genannten Stücken z.B. auch die emotional tiefgehende Ballade "Unveil", die das Album würdig abrundet.
Zu guter Letzt machen auch die gute Produktion und die schöne Aufmachung diese CD zu einem rundum lohnenswerten Kunstwerk.
Patrick Maiwald, 30. 11. 2004
Quelle: Hart, David: "The Story of Eva O". In: HM Magazine Issue #69 (ISSN 1066-6923).
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