Der Löwe im Kleiderschrank

C. S. Lewis - Der König von Narnia (The Lion, the Witch and the Wardrobe) 55 Jahre ist es nun schon her, dass C. S. Lewis den ersten Band seiner Chronicles of Narnia veröffentlicht hat. Die Ende dieses Jahres anlaufende Verfilmung des Kinderbuchklassikers - die ersten Trailer sind bereits gezeigt worden - bewegt mich nun dazu, an dieser Stelle ein paar Zeilen zu diesem Werk zu schreiben.

Wenn ich Der König von Narnia (bzw. The Lion, the Witch and the Wardrobe, wie der besser klingende Originaltitel lautet) als Klassiker bezeichne, muss ich hinzufügen, dass dies fast ausschließlich für den englischsprachigen Raum gilt, denn in Deutschland hat Lewis mit seinen Geschichten - ganz im Gegensatz zu seinem Kollegen und Freund J. R. R. Tolkien etwa - (bislang) nie wirklich Fuß fassen können. Warum dies so ist, kann ich nicht sagen...

Meiner Ansicht nach sind die sieben Narnia-Bücher, insbesondere aber dieses, das quasi das Herzstück der Geschichte enthält, sehr empfehlenswert, und zwar keineswegs nur für Kinder. Lewis selbst war der Ansicht, dass wahrhaft gute Kinderbücher auch von Erwachsenen zu lesen sein müssten. Und diesem Grundsatz bleibt er mit Narnia treu, wie die noch heute stetig wachsende, sich aus sämtlichen Generationen zusammensetzende weltweite Fangemeinde beweist.

Doch worum geht es in Narnia?
- Die Rahmenhandlung ist schnell erzählt: Zur Zeit des zweiten Weltkriegs finden vier englische Geschwister, zwei Jungen und zwei Mädchen, Unterschlupf bei Professor Kirke, ihrem geheimnisvollen Onkel, der zurückgezogen in einem riesigen Haus auf dem Land wohnt. In diesem Haus entdecken sie in einem Kleiderschrank ein Portal zu einer anderen Welt - genannt Narnia -, die vornehmlich von sprechenden Tieren und Fabelwesen bewohnt wird. Wer jetzt an Harry Potter denkt, liegt zunächst einmal gar nicht so verkehrt. Allerdings finden die vier Kinder in Narnia keine Zauberschule; vielmehr ähnelt Lewis' Fantasiewelt bei genauerer Betrachtung viel eher der aus Tolkiens The Hobbit, allein schon wegen des Einfließens "mythologischen" sowie mittelalterlichen Materials (vom Auftreten von Zwergen, Nymphen und Faunen bis hin zu groß angelegten "Schlachten" zwischen Guten und Bösen mit anschließendem Ritterschlag der Helden).

In Narnia angekommen erfahren die Kinder zunächst, dass eine mysteriöse weiße "Königin" das Land mit ewigem Eis überzogen hat (man denke etwa an Sauron, der in Tolkiens Lord of the Rings ganz Mittelerde mit Schatten zu überziehen droht) und willkürlich unschuldige Narnia-Bewohner in Stein verwandelt. Der Fluch beginnt erst zu brechen, als Aslan, der rechtmäßige König in Löwengestalt, nach langer Zeit zurückkehrt, um die Kinder - die "Söhne Adams und Töchter Evas" - zu treffen. Diesen wird nun bewusst, dass sie ihren Teil dazu beitragen müssen, eine Jahrtausende alte Prophezeihung zu erfüllen, nach der der schrecklichen Herrschaft der weißen Hexenkönigin ein Ende gesetzt werden wird.

Ein Unterschied zu Tolkiens Werken besteht darin, dass die Geschichte und Kultur Narnias weitaus weniger komplex und detailliert geschildert wird (Lewis denkt sich z. B. keine eigenen Sprachen aus). Weiterhin enthält Der König von Narnia direktere Bezüge zum christlichen Glauben als irgendein Tolkien-Buch; am deutlichsten kommt dies in der sich selbst aufopfernden Erlöserfigur Aslan zum Ausdruck. Dabei bleibt jedoch das Schöne an Narnia, dass christliche Werte und Motive zwar eindeutig vorhanden sind, sich dem Leser aber keineswegs als solche aufdrängen. Es gilt: Wer suchet, der findet - wer nicht, der nicht.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand beim Lesen der Narnia-Bücher nicht fasziniert wäre, es sei denn, er hätte etwas gegen schöne und spannend geschriebene Märchen. Von daher kann man sich nur wünschen, dass die Narnia-Bücher endlich auch im deutschsprachigen Raum bekannter werden. Ich selber habe sie vor ein paar Jahren zum ersten Mal gelesen und mir vorgenommen, dies zu wiederholen. Wert ist es die Geschichte allemal. Vielleicht trägt ja auch der Film dazu bei, dass verstärkt zur Vorlage gegriffen wird. Ich würde empfehlen, es zunächst mit den englischen Originalen zu versuchen - schwierig zu lesen sind diese bei weitem nicht (es gibt beispielsweise eine sehr schön aufgemachte englische Gesamtausgabe in einem Band). Es liegen auch verschiedene Übersetzungen vor, zu denen ich allerdings nichts sagen kann. Das Cover oben links zeigt die neuste deutschsprachige Ausgabe des ersten Teils.

Patrick Maiwald, 23. 06. 2005

Eure Meinungen zu diesem Artikel:
hier klicken

=> LESEPROBE - das erste Kapitel im Original (HTML)

=> Narnia.com - die offizielle Seite zu den Verfilmungen und Büchern
=> Into the Wardrobe - a C. S. Lewis web site

=> C. S. Lewis - Das Wunder von Narnia (The Magician's Nephew) (Rezension)