...oder: Fallen - Die Live-Renaissance

Evanescence - Anywhere But Home (CD + DVD) Ein Jahr nach ihrem ersten Mainstream-Album Fallen melden sich Evanescence nun mit ihrem ersten Live-Album Anywhere But Home zurück. Auffällig ist, dass man die CD gar nicht einzeln bekommt, sondern nur mit Bonus-DVD oder als DVD mit Bonus-CD (wobei beide Packete meines Wissens bis auf die Größe der Hüllen identisch sind).

Die DVD enthält den etwa einstündigen Mitschnitt eines Live-Konzerts in Paris (wahlweise im Stereo- oder 5.1-Surround-Sound) plus die vier Musikvideos der Singleauskopplungen von Fallen - die MTV-Guckern bereits hinreichend bekannt sein dürften - sowie ein 55-minütiges "Behind the Scenes"-Special. Was den Konzertfilm selber anbelangt, wurden keine Mühen gescheut, das Geschehen aus unzähligen Perspektiven festgehalten und die Bilder mit allerhand Effekten nachbearbeitet... wobei die Produktion meiner Meinung nach etwas über das Ziel hinausschießt und die schnellen Schnitte und die rasche Abfolge immer neuer visueller Effekte auf Dauer eher vom Gehalt der Musik ablenken, als ihn zu untermalen. (Mehr zum Konzert weiter unten...)

Die Musikvideos gefallen mir um einiges besser - hier geht es nicht ausschließlich um Effekthascherei. Vielmehr unterstreichen beispielsweise die Bilder im Video zu "Everybody's Fool" gekonnt den Eindruck, dass hier eine von der eigenen Berühmtheit geplagte Pop-Ikone ihre persönliche Isolation beklagt. (Inwieweit Frontfrau Amy Lee hier aus eigener Erfahrung spricht, bleibt eine interessante Frage...)

Der ungeschminkte audiovisuelle Blick hinter die Kulissen, den die Band mittels unkommentierter Dokumentation zusätzlich gewährt, ist definitiv nicht nur für Evanescence-Fans sehenswert, die einen Einblick ins "Tourleben" der Amerikaner bekommen möchten, sondern bietet auch jedem etwas, der ein Faible für all die Patzer hat, die ein Live-Erlebnis zu einem ebensolchen machen ("Sorry, falsche Tonart...", Bekloppte stürmen die Bühne inmitten des Konzerts, etc.) - und auch für solche, die einfach nur gerne zusehen, wie ein Haufen junger Leute ihre Blähungen kommentieren, eine private Karaoke-Party schmeißen (Zitat Amy Lee: "You suck!") oder auch Cheeseburger-Baseball spielen.

Die CD enthält sozusagen den Soundtrack zum Konzert und als Bonus einen Studiotrack - das schon etwas ältere ruhige Stück "Missing" in einer neuen Version. Die Soundqualität der gesamten CD (und DVD) lässt in keinster Weise zu wünschen übrig. Die Auswahl der Livestücke entspricht so ziemlich der Tracklist von Fallen; lediglich ein älteres Stück mit Namen "Breathe No More" und ein Korn-Cover, "Thoughtless" (eine typisch korn'sche Aggro-Hass-Tirade, die sich hier aber in einigen Aspekten schön vom Original abhebt), sowie das schon von der Bring Me to Life-Single bekannte "Farther Away" kommen hinzu. Das größte Manko dieses Albums scheint also zu sein, dass die Band hier den Inhalt ihres ohnehin sehr homogen gehaltenen Mainstream-Debuts relativ unverändert "runterspielt", wodurch die Stücke sich natürlich auch hier wieder für meinen Geschmack zu sehr ähneln (besonders eindrücklich wird dies etwa an der Stelle deutlich, wo "Bring Me to Life" in "Tourniquet" übergeht, ohne dass man viel vom Wechsel mitbekommt). Amy Lee beeindruckt diesmal (trotz des vielen anstrengenden Rumhüpfens auf der Bühne) übrigens auch live mit ihrer Stimme - ein anderer Konzertmitschnitt, der wenige Monate zuvor immer wieder von VIVA in Deutschland ausgestrahlt worden war, hatte sie in einem nicht so glänzenden Licht gezeigt. Natürlich lässt sich fragen, ob bei der CD nicht hin und wieder doch getrickst wurde. Aber wir wollen ja niemandem was anhängen...

Mein Fazit: Ein insgesamt lohnenswertes Album für Fans der Band (obgleich ich den Konzertfilm wegen der "hektischen" Optik nur mit Einschränkungen empfehlen kann). Das CD+DVD-Package ist übrigens zum Preis einer normalen CD erhältlich - in Bezug auf das Preis/Leistungs-Verhältnis kann man also nicht meckern... schade ist - wie gesagt -, dass das Konzert sich in musikalischer Hinsicht fast ausschließlich von Fallen nährt... Schade finde ich auch, dass die expliziten Bezüge zum christlichen Glauben der Bandmitglieder nun scheinbar zunehmend der Vergangenheit angehören. Aber man kann ja nicht alles haben... oder doch?

Patrick Maiwald, 18. 01. 2005

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