weinkruzifix Arnulf Rainer gehört zur Gruppe von Künstlern, die vor Jahren vor allem durch Destruktion von sich reden machten. So gehört es zum erklärten Programm von Arnulf Rainer, vorhandene Bilder immer wieder zu übermalen, und so seinen wechselnden Sichtweisen anzupassen. Daß er bei seinen Übermalungen auch vor den Werken anderer Künstler nicht haltmachte, trug ihm den Ruf ein, ein "Zerstörer" zu sein - zumindest aber ein unbequemer Künstler, der immer wieder in provozierender Weise Sichtweisen verändert um zur Auseinandersetzung zu zwingen.

Überraschend allerdings ist, daß Rainer sich immer wieder auch christlichen Themen gewidmet hat, und u.a. einen wunderschönen Bildband zu "Engeln" gestaltet hat. Dies paßt nicht so recht in das Bild, daß man sich von einem "Chaot" so landläufig macht - es paßt allerdings sehr wohl in das, was wir vom "Chaoten" aus Nazareth wissen.

Denn Jesus Christus war alles Mögliche - gewiß aber kein einfacher Zeitgenosse, gewiss keiner von denen, die man übersehen oder überhören konnte und gewiß eher Gegenstand von Provokation und Auseinandersetzung als Gegenstand ästhetisch-verkitschter religiöser Gefühlsduselei.

Dies wird am deutlichsten im Angesicht des Kreuzes. Denn das Kreuz war und ist eine fürchterliche, grausame Weise einen Menschen hinzurichten - nicht mehr und nicht weniger.

Arnulf Rainer nun unterstreicht dies in seinem Hauptwerk "Weinkruzifix", in dem er ein Szenario aus Blut und Schwärze darstellt, das gewiß niemand als "schön" bezeichnen würde. Aber es zwingt zum Hinsehen, es zwingt zum Denken, es zwingt dazu, sich noch einmal neu mit der Passionsgeschichte zu beschäftigen.

Ein Mensch stirbt - blutig zu Tode gequält. Paul Gerhard konnte vom "Haupt von Blut und Wunden" dichten, und genau dieses Haupt blickt uns aus Arnulf Rainers Werk entgegen.

Blut, Schweiß, Tränen, die Schwärze des Todes, die volle Grausamkeit der Kreuzigung - Arnulf Rainer hat sie meisterlich ins Bild gesetzt.

Und der doppeldeutige Titel deutet es dann an: Die Tränen, die Menschen in Anbetracht des Kreuezes vergießen ebenso wie das Blut, das der Theologie des Abendmahls gemäß zu Wein wird, und so eine Beziehung zum Gekreuzigten stiftet.

Halten wir diesen Blick aus ?
Suchen wir die Gemeinschaft in Brot und Wein ?
Erkennen wir das Heil der Welt auf der menschlichen Müllkippe (nichts anderes heißt Golgatha wörtlich übersetzt) ?

Die Woche des Gründonnderstag, des Karfreitag und des Ostertages ist gewiß nicht die schlechteste Zeit im Jahr, um darüber nachzudenken.

Nachwort: Eine umfassende Auseinadersetzung mit Person und Werk Arnulf Rainers findet sich in dem von Rainer Volp herausgegebenen Band "Die Kunst und die Kirchen" - ein Buch, das ich uneingeschränkt empfehlen kann.

Heiko Ehrhardt, 11.04.03