Eines der schillerndsten christlichen Festivals in Deutschland ist mit Sicherheit das Freakstock der Jesus Freaks. Wie schon in den Jahren zuvor fand die gesamte Veranstaltung auf der Pferderennbahn in Gotha statt. Aus meiner Sicht ist dieser Veranstaltungsort sehr gut gewählt, da man nur an wenigen Orten ähnlich gute äußere Voraussetzungen für solch ein Festival vorfindet! Lediglich ein Mangel an schattenspendenden Requisiten (z.B. Bäume) muss ich an dieser Stelle attestieren.

Dass das Freakstock mehr als nur ein reines Musikfestival ist, dürfte sich mittlerweile auch herumgesprochen haben. Das Angebot reicht von Gottesdiensten über Seminare und Workshops hin zu Kunstausstellungen und Autorenlesungen. Dass die obligatorischen Konzerte nicht fehlen dürfen ist natürlich selbstverständlich!

Genauso vielfältig wie das Programm erwiesen sich auch die Besucher des Freakstocks. Vom abgedrehten Rastatypen bis zur 08/15 Familie mit Kind und Kegel war alles vertreten - keine Schattierung wurde ausgelassen. Sogar eine gar nicht so geringe Anzahl "Schwarzer" war zu erblicken, was diesen Artikel für die Innenseiten evtl. etwas interessanter macht. Dem aufmerksamen Beobachter ist evtl. aufgefallen, dass sich in der hinterletzten Ecke des Zeltplatzes ein großes schwarzes Zelt befunden hat, in dessen Nähe man allerlei seltsame schwarze Gestalten entdecken konnte. Und sogar für diese hatte das Programm etwas zu bieten, wenn auch nicht in der Quantität, die ich mir gewünscht hätte.

Schon beim ersten Durchblättern des Programmbüchleins stellte ich überrascht fest, dass neben Dead Turns Alive mit der schweizer Band The Great Secret eine weitere schwarze Band am Start war, die mir bisher völlig unbekannt war. Das Etikett Gothic-Metal klang dann auch erst mal recht vielversprechend und ich war gespannt, was mich erwarten würde. Vom Veranstalter aus war es dann auch so geregelt, dass die beiden schwarzen Bands Donnerstag abends im Marque-Zelt nacheinander spielten.

Bereits beim Umbau verwendeten die Schweizer jede Menge Energie darauf, die Bühne mit einer beträchtlichen Anzahl von Kerzen zu schmücken. Was dann kurze Zeit später aus den Boxen kam, wusste mir auch durchaus zu gefallen. Gelungener Symphonic-Metal mit schönen Keyboardpassagen, fetten Gitarren und einem Sänger, dessen stimmliche Qualitäten deutlich über dem Durchschnitt angesiedelt waren.
Alles in allem hatte ich mich schon darauf eingestellt, einen echt netten Abend zu haben, als nach den zweiten oder dritten Lied unvermittelt ein musikalischer Bruch kam. Die folgenden Songs verloren zunehmend ihren schwarzen Charakter und drifteten in Soundgefilde ab, die wohl eher in die Kategorie Misch-Masch-Metal gehörten. Jedenfalls nichts was mich begeistern konnte.

Ganz im Gegensatz zu Dead Turns Alive (DTA), die es schafften dem Headlinerstatus, den sie an diesem Abend im Marque-Zelt inne hatten gerecht zu werden. Laut des Programmheftes spielen DTA "Gothic-Techno" was wohl als eine äußerst schöpferische Worterfindung seitens der Jesus Freaks gelten darf.
DTA haben einen musikalischen Spannungsbogen, der vom ruhigen, atmosphärischen Dark-Electro bis zu äußerst treibendem EBM-Sound reicht. Die häufigen Sprachsamples kann man mittlerweile wohl schon als Markenzeichen DTA's bezeichnen, genauso wie den guten Gesang von Frontmann und Mastermind "Micha". Geboten wurde an diesem Abend ein erstklassiges Konzert, in dem man nahezu das komplette erste full-length Album Salvation and Dispair - The First 5 Years vorstellte. Lediglich der Club-Hit Satan On Earth fehlte zu meiner Enttäuschung.
Welche Klasse die Musik von DTA hat lässt sich erahnen, wenn man bedenkt, dass "Salvation and Dispair" bereits kurze Zeit nach Veröffentlichung auf Platz 9 der DAC stand.

Im Marque-Zelt war zwar deutlich weniger los als bei den Bands am Anfang des Abends, den Grund dafür sollte man aber weniger bei den musikalischen Qualitäten DTAs suchen sondern eher in der Tatsache, dass diese Form der elektronischen Musik nicht unbedingt mit dem Musikgeschmack des typischen Freak Stock Besuchers kompatibel ist.

Ein weiterer Höhepunkt des diesjährigen Freakstocks war für mich die Lesung des Leipziger Surrealisten Patrick Thiele, der Kurzgeschichten seiner Reihe Violette Brandung und bisher unveröffentlichte Texte vortrug. Leider war es mir nicht vergönnt, bei dieser Lesung anwesend zu sein, da zur selben Zeit, einige hundert Kilometer weiter, ein Redaktionsmitglied der Innenseiten den Bund der Ehe einging. Man muss Prioritäten setzen.

Sollte jemand derjenigen, die bei der Lesung anwesend waren, Interesse haben, für die Innenseiten einen Bericht zu schreiben, würden wir uns darüber freuen.

Fotos & Text: Daniel Keck, 15. 10. 02