Aufmerksamen Anhängern der schwarzen Szene dürfte der Name The Last Dance im letzten Jahr wohl kaum entgangen sein, tauchte doch der eingängige Track "Nightmares" auf CD-Samplern zu fast allen großen Magazinen auf. In diversen Interviews mit der Band ist immer wieder auf den christlichen Hintergrund einiger Mitglieder angespielt worden; Insider wissen zudem, dass ihre Stücke in der Vergangenheit immer mal wieder auf Samplern christlicher Magazine und Plattenfirmen vertreten waren (wo sie natürlich auch immer zu den besten gehörten), und dass die Band schon mal im Rahmen von christlichen Festivals auftritt. Hier ein kleiner, hoffentlich erhellender E-Mail-Plausch mit den drei Zukunftsrockern, die sich anschicken, den europäischen Markt zu erobern.

The Last Dance Zuallererst: Wann und unter welchen Umständen entstand The Last Dance?

JEFF: Rick und ich haben die Band 1990 gegründet. Er war gerade aus einem anderen Projekt ausgestiegen, und ich hatte was mit dem Management dieser Band zu tun. Er schrieb weiterhin Musik und bat mich, dazu zu singen. Wir machten das nur zum Spaß und planten nicht, eine Band zu werden. Unsere Freunde waren es, die sagten, wir sollten was daraus machen. Dann fanden wir einen Namen sowie einen Schlagzeuger und einen Bassisten. Peter ist seit 10 Jahren dabei.

Wenn ich richtig informiert bin, ist The Last Dance nicht als christliche Band zu bezeichnen. Trotzdem scheinen viele eurer Texte eine geistliche Dimension zu besitzen. Wie sehen eure spirituellen Hintergründe aus?

JEFF: Wir sind keine christliche Band. Ich kenne christliche Bands, und wir verdienen es nicht, als eine bezeichnet zu werden. Ich bin als Gemeindegänger erzogen worden, und das ist nichts, wovon man sich so einfach lossagt, nachdem es ein so großer Teil von einem selbst geworden ist. Ich habe mich immer sehr für die sozialen Aspekte von Kirchen interessiert, doch das Ganze hat für mich auch eine dunkle Kehrseite. Religion wird einfach häufig von gewissen Leuten als ein Mittel zur Rechtfertigung ihres eigenen Gutdünkens benutzt, was dann dazu führt, dass dein Verhalten von Leuten verdammt wird, die glauben, Gott stoße sich an Diesem oder Jenem. Ein solcher Konflikt hat mich und die Kirche schließlich entzweit. Liebe, die auf Gericht basiert, ist keine Liebe. Ich wurde der politischen und finanziellen Aktivitäten der Kirche überdrüssig. Das ist einfach alles so typisch "amerikanische Mittelklasse" und so weit entfernt von dem, worum es eigentlich gehen sollte (wenn man davon ausgeht, dass das, was Jesus gesagt und getan hat, im Mittelpunkt stehen sollte). Wenn die Religion es sich zum Ziel setzen würde, den Welthunger zu beenden oder ähnliches, anstatt den Kongress zu beherrschen, werde ich noch mal darüber nachdenken, wieder zur Gemeinde zu gehen. Trotzdem bin ich ein irgendwie spiritueller Mensch. Ich halte die Goldene Regel für das Beste überhaupt, und ich wünschte, die Menschen wären netter zueinander.

RICK: Mein spiritueller Hintergrund ist christlich, sonntags arbeite ich sogar als Soundtechniker in einer Gemeinde namens Bethany hier in Kalifornien. Ein echt netter Ort, der auch in einem guten Verhältnis zu TLD steht - hier haben wir unsere letzten paar Alben aufgenommen, uns technisches Equipment für Konzerte ausgeliehen, etc. Ich bin das, was man wohl als einen liberal-konservativen Christen bezeichnen könnte, womit ich meine, dass es mir nicht um die Regeln der Kirche geht, dafür aber umso mehr um die Gesetze Gottes. Nach meiner Erfahrung ist es größtenteils das Herz, das eine Person ausmacht, und nicht so sehr das, was man tut, deshalb finde ich es meistens schwierig, wenn "christlich" eingestellte Leute Andere nach solchen Dingen beurteilen. Die Mitglieder der Gemeinde, in der ich gerade tätig bin, scheinen, wenn ich an meinen geistlichen Werdegang denke, die richtige Einstellung zu haben - nämlich, dass jeder willkommen ist, auch so ein komischer Typ aus einer Gothicband, der sich farbige Strähnchen in die Haare flechtet.

PETER: Jeder von uns ist auf seine eigene Weise eine spirituelle Person. Ich selber bin in einer sehr weltoffenen Umgebung großgeworden. Sie war christlich in dem Sinne, dass meine Familie traditionell katholisch war, aber weder meine Eltern noch ich waren sehr fromm, noch glaubten wir unbedingt an alle Lehren der Kirche. Heute bin ich ein großer Bewunderer dessen, was man "christliche Werte" nennen könnte, aber ich glaube auch, dass die meisten dieser Werte nicht aufs Christentum beschränkt sind, sondern sich wie ein roter Faden durch sämtliche Religionen und Glaubenssysteme ziehen. Während ich mich also niemals als Atheist oder Agnostiker bezeichnen würde, lehne ich es auch ab, mich einer bestimmten Glaubensgemeinschaft zugehörig zu fühlen.

Wie kamt ihr dazu, auf dem Cornerstone-Festival zu spielen? Auf welche Weise seid ihr mit der christlichen Szene verbunden?

JEFF: Was uns verbindet, sind gemeinsame Fans. Ein Freund hatte einen Freund, der da was zu melden hatte, oder so. Wir boten uns an, da wir ja in der Vergangenheit schon hier und da mal was mit christlicher Musik zu tun gehabt hatten. Es waren einige andere Bands da (wahrscheinlich mehr, als man denkt), die auch Kontakte zu der Szene haben, aber eigentlich keine christlichen oder evangelistischen Bands sind. Es ist schon seltsam, zu einem Festival wie Cornerstone zu fahren, sich mit all diesen anderen Bands zu unterhalten und dabei mitzubekommen, wie sie sich mit aller Mühe und Not drumherumwinden, als christliche Bands bezeichnet zu werden. Wir haben viele Fans aus der christlichen Szene, die unsere Texte mögen, weil sie gewissermaßen die menschliche Seite der Spiritualität widerspiegeln.

RICK: Es war wirklich schön, beim Cornerstone zu sein. Ein verrückter Tag für mich, weil an dem Tag auch meine Tochter geboren wurde, also eine heftige Nacht, aber definitiv spaßig und eine tolle Erfahrung, bis auf das Wetter. Mit der christlichen Szene sind wir über ein paar christliche Underground-Label wie Cold Fusion Records, die Sampler rausbringen und dabei gerne mal Stücke von uns drauftun. Dass wir uns nicht als christliche Band bezeichnen, bringt uns kein "Wir wollen nichts mit denen zu tun haben!" ein. Gute Lieder, Kunst, so was soll vom Hörer interpretiert werden; ein Lied oder ein Text sollen Gefühle hervorrufen, und der Hörer verleiht dem Ganzen seine eigene Bedeutung. Für einige Christen, die unsere Musik mögen, tun unsere Lieder das auf eine spirituelle Weise... das ist großartig. Paulus ist "allen alles geworden" (Anmerkung des Übersetzers: 1. Kor. 9:22), oder? Warum nicht dasselbe auf musikalischer Ebene erreichen... das wäre doch das Beste für uns, finde ich...

Haltet ihr die Existenz einer "christlichen Musikszene/-Industrie" mit Plattenfirmen, etc. für eine gute Idee?

JEFF: Ich find's gut. Ich bin mit Bands wie Undercover, The Choir und Adam Again aufgewachsen... heute schon Urgestein. Diese Bands und viele andere haben mir damals sehr geholfen, mich selber zu definieren. Es waren talentierte Künstler mit einer Vision hinter ihrer Musik, die weit über bloßen Erfolg hinausging. Sie hatten was zu sagen über das Leben, die Liebe und die damit verbundenen Schwierigkeiten. Sogar die christlichen Lagerfeuer-Hymnen haben in dem Kontext Spaß gemacht. Die Musiker haben mich belehrt, weil ich ihnen zuhören wollte. Musik kann solch eine Wirkung auf Menschen haben. Dass eine ganze Industrie um die "christliche" Musik herum existiert, ist toll. Sie ist zwar so korrupt wie jede andere Industrie, aber allein, dass jemand ein Lied schreibt, das irgendein junges Leben verändern kann, ist eine gute Sache. Noch besser ist es, wenn es Mittel gibt, die Botschaft nach da draußen zu tragen.

PETER: Es kann eine gute Idee sein insofern, als dass einer Gemeinschaft von Ähnlichdenkenden eine Quelle der Unterhaltung, Inspiration und Belehrung geliefert wird, und das in einer Weise, die hoffentlich mit deren Werten konform geht. Gleichzeitig gibt es da aber auch viele Fallen, in die man tappen kann. Vieles von dem, was in der Musikindustrie oder auch in irgendeiner anderen erfolgreichen Kommerzindustrie Gang und Gäbe ist, widerspricht oft traditionellen christlichen Werten, wenn man bedenkt, dass Habgier, Neid und Hinterziehung in der Industrie oftmals der Schlüssel zum Erfolg sind. Es herrscht auch viel Konkurrenzdenken in der heutigen christlichen Musikszene vor. Hinzu kommen die ständigen Debatten und Kontroversen über verschiedene Künstler und darüber, ob es sich dabei um "wahre" christliche Musik handelt oder nicht, und schon hat man viele Probleme, die diejenigen ablenken oder befremden können, die sich der Szene als Kraftquelle für ihren Glauben zuwenden.

Im Herbst habt ihr eine Tour durch Europa gemacht. Welches waren rückblickend einige der schönsten Momente der Tour?

JEFF: Solche Momente hatten meist mit Alkohol und der Gesellschaft netter Leute zu tun, aber auch mit dem Schnee in Deutschland und Italien. Darauf zu fahren macht Angst, aber Schneelandschaften sind einfach die schönsten, die es gibt. Insgesamt war es ein schwieriges Jahr; finanziell mussten wir alle uns ziemlich ins Zeug legen, um all diese kleinen Touren zustande zu bringen. Das hat zwar geklappt, aber es war ein sehr schweres Jahr für uns, und in diesem Jahr werden wir nicht halb soviel touren.

PETER: Tolle Momente gab es viele. Für mich bestanden die Highlights wohl darin, wieder in Whitby aufzutreten, zum ersten Mal in Portugal zu spielen und mit unseren vielen neuen Freunden in England und Deutschland rumzuhängen. Und einfach mit unserem guten Freund und Tourdrummer Stevyn unterwegs zu sein war, wie immer, eine Freude. Persönlich sehen wir uns zur Zeit nicht oft, von daher ist die Zeit unterwegs die einzige, die man hat, um mit solchen Leuten rumzuhängen.

RICK: Die schönsten Momente, also... Auf den Festivals zu spielen, war schön... Die Auftritte in Whitby und Portugal waren genial, sowohl die Konzerte selber als auch das Treffen der Leute. Freunde, die wir selten sehen, wiederzutreffen, ist immer toll... und neue Leute kennenzulernen und sich mit ihnen anzufreunden, ist ebenfalls wunderbar...

Was habt ihr von Deutschland gehalten?

JEFF: Ich finde Deutschland toll. Ich mag das Essen, die Leute, das Land. Ich glaube, in Europa gibt es etwas auf sozialer Ebene, das man in Amerika nicht so oft findet. Es ist schwer in Worte zu fassen, aber es gefällt mir.

RICK: Deutschland ist genial, sehr anders als das, was ich mir vorgestellt hatte, bevor wir da zum ersten Mal gespielt haben. Nicht, dass ich erwartet hatte, dass es schlecht wäre, aber ich war wohl etwas nervös bei dem Gedanken, ein neues Land zu Gesicht zu bekommen, da wir zuvor nur in Großbritannien gewesen waren. Die Deutschen sind sehr freundlich, und sie unterstützen alle Musikrichtungen, was wirklich schön ist. Die Soundtechniker nehmen ihren Job sehr ernst und bekommen den Sound für uns fast immer perfekt hin. Die Landschaft ist sehr schön, und die dem Land eigene Kultur ist in jedem der kleinen Dörfer sichtbar, durch die wir manchmal fahren. Und dann gibt es da noch das Oktoberfest - eine Erfahrung, die auf jeden Fall jeder einmal gemacht haben sollte... und zwar nur in Deutschland!

PETER: Mir hat Deutschland schon gefallen, seit wir 1999 zum ersten Mal hingefahren sind. Obwohl ich nur das einfachste, peinlichste Bisschen Deutsch beherrsche, habe ich mich dort schon immer sehr willkommen gefühlt.

Wie habt ihr Stevyn Grey (der bereits in Projekten wie Mephisto Walz, Faith and the Muse und Shadow Project gespielt hat) dazu bekommen, mit euch zu touren?

RICK: Geld, viel Geld..... nein, im Ernst, wenn es so gewesen wäre, dann hätten wir ihn nie bekommen... in Wirklichkeit kam das durch einen gemeinsamen Freund zustande, Jeremy Mesa, der mit Stevyn in der Band Frankenstein spielt. Er hat mich gebeten, ihnen mit dem Mastering ihres letzten Albums zu helfen. Dabei habe ich Stevyn kennengelernt, und irgendwie kamen wir darauf, dass wir noch einen Drummer brauchen, der auf unserer Tour einspringt. Er hat angeboten, alle Lieder zu lernen und uns auf der Tour zu begleiten... Auf der Tour haben wir uns gut verstanden - er ist ein genialer Schlagzeuger und ein netter Mensch, und wir haben uns sofort mit ihm angefreundet. Momentan ist Stevyn einer der beiden Live-Drummer von The Last Dance, Tom Coyne ist der andere. Beide sind tolle Menschen, Schlagzeuger, und Teile unserer "Familie".

Mir kam es so vor, als hätte das Live-Schlagzeug eurem Sound eine besondere "Rock"-Note verliehen. War es euer Ziel, die Stücke anders klingen zu lassen, wenn ihr sie live spielt?

JEFF: Die meisten Unterschiede sind einfach so gekommen. Wir sind eine Rockband, und der Klang von Schlagzeug und Gitarre ist schon immer ein fester Bestandteil unseres Sounds gewesen. CD-Aufnahmen lassen einen mehr von der subtileren Elektronik in den Vordergrund bringen, während die Zügel bei einem Live-Auftritt mehr in der Hand des Soundtechnikers sind. Die Stücke klingen live energiegeladener, weil sie energetischer gespielt werden. Bis man Stücke live spielt, kennt man sie besser als zu dem Zeitpunkt, als man sie aufgenommen hat. Sie haben sich etwas weiterentwickelt, und man spielt sie mit mehr Selbstsicherheit.

PETER: Eigentlich besteht die Zielsetzung eher darin, die Alben die Energie der Live-Auftritte festhalten zu lassen. Wir haben schon immer ein echtes Schlagzeug benutzt und haben erst vor kurzem angefangen, die elektronischen Elemente in unsere Musik einfließen zu lassen. Aber insgesamt waren wir schon immer eher eine Rockband, die elektronische Elemente einbaut, als eine elektronische Band, die Live-Instrumente benutzt.

Erzählt uns was über das Nebenprojekt Creta.

RICK: Creta ist ein Nebenprojekt, in das ich mit einer guten Freundin namens Esther Hernandez involviert bin. Eigentlich ist es ihr Projekt, ihre Idee, und ihre Musik, ich helfe ihr nur mit dem Schreiben und Produzieren. Es ist ein christliches Projekt, in das sehr viel von Esthers Leben und ihrem leidenschaftlichen Wesen einfließt. Das einzige Stück, das "Silence" heißt, ist auf ein paar Samplern, sowohl von christlichen als auch von Gothiclabels, erschienen, und die Reaktionen waren durchweg gut. Momentan haben wir ein paar Songs in Planung; diese sind aber noch sehr unvollendet, und was mich angeht, gehen The Last Dance und meine Verantwortung meiner Familie gegenüber vor, was bedeutet, dass ich nicht viel Zeit für Creta habe, wenn wir gerade auf Tour sind oder neue Stücke schreiben und aufnehmen... Es wird also Neues geben, aber alles zu seiner Zeit... danke für die Nachfrage!

Was treibt ihr so im Moment?

JEFF: Wir schreiben gerade Stücke fürs neue Album. Wir werden in den nächsten paar Monaten noch nichts aufnehmen, aber ein paar gute Stücke sind gerade dabei, Form anzunehmen. Dann sind da noch ein paar Konzerte in unserer Umgebung, einige Interviews und... das Übliche halt.

RICK: Im Moment... ausruhen... Das letzte Jahr fand ich persönlich anstrengend. Dreimal auf Tour zu gehen und umherzureisen, die Geburt unserer Tochter usw. - das alles hat mich wohl ziemlich an die Grenzen meiner Vernunft und meiner Gesundheit gebracht... also ruhe ich mich aus und genieße die Zeit mit meiner Familie - und schreibe natürlich Musik fürs nächste TLD-Werk - das ist immer eine aufregende Sache!

PETER: Momentan arbeite ich an Ideen fürs nächste TLD-Album und an einem Filmsoundtrack, den ich komponieren darf.

Habt ihr eine Idee, wann ihr wieder in Deutschland sein werdet?

RICK: Am Wochenende vom 15. bis zum 18. Juli 2005 werden wir zu einem Festival namens Nights of Darkness in Köln kommen - danach werden wir durch die USA touren und mit einem Filmteam hier in Kalifornien an einem "The Last Dance"-Film arbeiten, und dann sollte irgendwann im Herbst unsere Rückkehr nach Europa für eine komplette Tour folgen...

Danke fürs Interview!!

Interview geführt von Patrick Maiwald; Februar 2005


=> dieses Interview im "Originalton"

=> The Last Dance (Homepage)