Es ist kaum möglich, beim Terminus "Gothic Rock" an so etwas wie eine Marktlücke zu denken. Und doch war es der Drang, eine inzwischen vor sich hin dünkelnde Bewegung wieder neu zu beleben, der Ashton Nyte in den frühen Neunzigern dazu veranlasste, The Awakening zu gründen und Musik in dieser Richtung zu machen. Und jetzt, da dieser christlich inspirierte Künstler schon seit Jahren in stetiger Quantität und mit zunehmender Qualität die schwarzen Clubs Südafrikas mit seinen Klängen, mit Leben und Sinn füllt und mittlerweile auch - SX-Distribution sei Dank - in Europa zunehmend bekannter wird, ist es wirklich höchste Zeit für uns, endlich mal ein Interview mit ihm zu führen.

Ashton Nyte / The Awakening Zuerst mal eine Frage zur neusten Awakening-CD, "Darker Than Silence" - was können die Hörer erwarten? Sind seit "Roadside Heretics" irgendwelche drastischen stilistischen Veränderungen passiert?

Ich denke, es ist auf jeden Fall Wachstum passiert. "Darker Than Silence" erweitert "Roadside Heretics" eher, als dass es in eine neue Richtung geht. Die neue CD hat auf jeden Fall eine größere emotionale Bandbreite, mit mehr Variationen in der Intensität des musikalischen und textlichen Gehalts. Sie beinhaltet auch einige der härtesten Stücke, die es je auf ein Awakening-Album geschafft haben...

Die Veröffentlichung von "Roadside Heretics" im Jahr 2002 läutete den Beginn eines neuen "Kapitels" in der Geschichte von The Awakening ein. Mein Eindruck ist der, dass The Awakenings Musik jetzt vielfältiger geworden ist und somit die Grenze zwischen dem "traditionellen" Goth-Rock älterer Werke und der heterogeneren Seite, die du auf den Soloalben zur Schau stellst, weiter verwischt. Was würdest du sagen?

Ja, "Roadside Heretics" war so ziemlich der Anfang eines zweiten Kapitels. Für mich ist das Album eine Kombination aus der persönlicheren und sehr direkten Herangehensweise der Texte von "dirt sense" (meinem zweiten Soloalbum) und einer härteren, aggressiveren musikalischen Ausrichtung.
Ich glaube an eine kontinuierliche Entwicklung des künstlerischen Ausdrucks und versuche mit jedem Album mein Schaffen neu zu definieren und zu verfeinern.

Wo wir gerade von deinen Soloalben reden: Da du ja das einzige "Studiomitglied" von The Awakening bist, wieso hast du überhaupt den Wunsch gehabt, "Ashton Nyte"-CDs zu veröffentlichen?

Ja, im Studio nehme ich in der Tat normalerweise die meisten oder alle Aufgaben selber in die Hand. Trotzdem glaube ich, dass ich, genau wie jeder Mensch viele verschiedene Seiten seines Charakters oder seiner Persönlichkeit hat, viele kreative Seiten habe, die ich gerne erforschen würde. Das erste Soloalbum war ein elaborierter Versuch, etwas völlig andersartiges als das zu machen, was man vom "Mann hinter The Awakening" erwarten würde. Jedes Soloalbum ist eine einzigartige Abkehr vom vorherigen und leitet hoffentlich etwas von meinem manischen Eklektizismus um!

Spielt ihr auch "Ashton Nyte"-Stücke bei Awakening-Konzerten und andersrum?

Ja, beides - es kommt auf die Stimmung des Konzerts an. Solch eine Vorführung ist eine Zeremonie, deren Verlauf nicht durch Kategorien und Klischees gehindert werden sollte.

Verdienst du deine Brötchen als Künstler? Was machst du, wenn du nicht gerade Musik machst?

Schlafen. Ich muss mindestens alle vier Tage mal schlafen. Und nein, ich habe tagsüber keinen Job :-)

Hast du irgendwelche Ratschläge für Leute, die anfangen wollen, professionell Musik zu machen? Wie hast du angefangen?

Ich bin einfach ins kalte Wasser gesprungen und habe jede freie Minute der Aufgabe gewidmet, eine gute Show mit guten Stücken zu kreieren. Mein Rat ist der, dass man immer seiner Leidenschaft Folge leisten sollte - und versuchen, auszudrücken, wer und was man wirklich ist!

Wenn man die Texte zu Stücken wie "Prophet" oder "Martyr" liest, fällt einem unweigerlich dein christlicher Glaube auf. Wie reagieren die Leute normalerweise, wenn überhaupt?

Ganz am Anfang bekamen wir Ärger von beiden Seiten. Ich sage mal übertrieben optimistisch, dass die Leute heutzutage generell aufgeschlossen genug sind, um zu erkennen, dass viele Menschen einfach einzigartige Individuen mit vielen Facetten sind, die nicht unbedingt in mentale Schubladen und Stereotypen reinpassen!

Unterscheidest du zwischen "christlicher" und "nichtchristlicher" Musik/Kunst? Was hältst du davon, wenn solche Bezeichnungen für deine Musik benutzt werden?

Ich bin kein großer Fan von Betitelungen. Ich versuche, das zu erleben oder zu kreieren, was für mich gute, qualitative Kunst ausmacht. Viele Leute brauchen Schubladen, die ihnen helfen, im Leben besser klarzukommen - wenn sie meinen...

Da du als Christ in der schwarzen Szene unterwegs bist: Musstest du dich schonmal den "typischen" Fragen stellen ("Wie kannst du Christ und schwarz sein", usw.)? Hast du aufgrund dessen schon mal Ablehnung erfahren?

Ja. Wie schon gesagt wurde und wird uns immer noch manchmal Ablehnung von beiden Seiten entgegengebracht. Das macht mir nichts aus. Ich tue, was ich tue, und ich zwinge niemanden dazu, meine Musik zu hören. The Awakening ist zuallererst mal eine schwarze Future-Rockband. Spirituelle Tiefe sollte dabei nicht als Makel, sondern als zusätzliche Dimension gewertet werden!

Nenne ein paar deiner Lieblingsmusiker. Was bedeutet dir die Musik?

Meine Helden sind Leute wie David Bowie, Kate Bush, Lou Reed, usw. - diverse Künstler, die jenseits von Kategorisierungen und speziellen Genres existieren. Musik ist mein bedeutendstes Mittel des Ausdrucks, der Kommunikation und der Gemeinschaft. Sie ist Realitätsflucht und Hingabe. Ja, ich könnte die ganze Nacht lang meine Leidenschaft für diese spezielle Form der Kunst weiter beschreiben!

Was sind generell deine Inspirationen beim Schreiben der Texte? Würdest du ein paar deiner Lieblingsdichter nennen wollen? (In "Cerebral Song" nimmst du kurz Bezug auf William Blake und Paulus...)

Einzelne Dichter inspirieren mich nicht so sehr wie der Prozess des Dichtens selber. Ich schreibe und komponiere intuitiv, normalerweise ohne im Vorfeld einen speziellen Gedanken gehabt zu haben.

Wieso gibt es deiner Meinung nach so viele "triviale" Bands da draußen, die so erfolgreich sind? Glaubst du, das wird sich mal ändern?

Die oberflächlich-triviale Kultur (engl. "pulp culture") hat schon immer das, was sie versteht, hochgehalten, und das, was sie fürchtet oder nicht begreift, unter den Teppich gekehrt. Musik oder Kunst, die Substanz aufweist, wird unglücklicherweise niemals das in Massen produzierte Düngemittel einfacher Gemüter aufwiegen - das ist einfach eine statistische Regel.

Da du in einem mehrsprachigen Land wohnst - beherrschst du auch andere Sprachen als englisch?

Ich fürchte, dass ich nur Englisch und Afrikaans fließend spreche...

Wann können wir die nächste Coverversion erwarten? Gibt es ein Stück, das du auf dem nächsten Album gerne covern würdest?

Es gibt viele Lieder, die wir im Laufe der Jahre bei Konzerten oder auf oft unveröffentlichten Tonträgern gecovert haben. Vielleicht fangen wir bald mal an, sie der großen weiten Welt zugänglich zu machen. :-)

Wie sehen eure momentanen Tourpläne aus? Steht Deutschland auf dem Plan?

Es sieht danach aus, dass wir im Oktober durch die USA touren, und danach hoffentlich durch Europa! Deutschland ist definitiv auf meiner Wunschliste. Seht einfach öfter mal unter www.awakening.co.za nach...

Vielen Dank für das Interview. ich freue mich darauf, euch mal zu sehen. Alles Gute aus Deutschland.

Danke.

Interview geführt von Patrick Maiwald; Juli 2004


=> dieses Interview im "Originalton"

=> The Awakening (Homepage)
=> Ashton Nyte (Homepage)

=> The Awakening - The Fountain (Rezension)
=> The Awakening - Sacrificial Etchings (Rezension)
=> The Awakening - Roadside Heretics (Rezension)
=> The Awakening - Darker Than Silence (Rezension)