Jan Carleklev Hi Jan, vielen Dank, dass du dich auf dieses Interview eingelassen hast!
Also, zuerst die Frage aller Fragen: Wann kommt das nächste Sanctum-Album raus?

Ob du's glaubst oder nicht: In diesem Frühjahr. Ich habe die Veröffentlichung der CD schon so oft angekündigt, und es kam immer was dazwischen. Aber jetzt bin ich mir sicher, dass es passieren wird. Sanctum wird im 21. Jahrhundert anders klingen, aber ich glaube, unsere Hörer werden keine Schwierigkeiten haben, unserem neuen Weg zu folgen.

Werden Lena und Marika - die "weibliche Hälfte" von Sanctum - am zweiten Album beteiligt sein?
Marika hat die Band vor einigen Jahren verlassen, weil sie das Cello nicht mehr weiter spielen konnte. Irgendwas stimmte nicht mit ihr, so dass sie überhaupt nicht mehr spielen konnte. Das ist ziemlich traurig, und ich wünschte so sehr, sie wäre noch Teil der Band.
Lena hat die Band aus Mangel an Zeit und Interesse verlassen. Sie fand, dass sie dem Projekt nicht das geben konnte, was es brauchte. Das ist auch traurig, aber wir haben uns als Band darauf geeinigt, dass jeder sowohl Spaß als auch den Wunsch haben muss, sich kreativ auszudrücken, solange wir zusammen arbeiten.
Somit besteht das Lineup von Sanctum momentan aus mir, Palle und Ulrika. Eine weitere Person ist gerade dabei, Bandmitglied zu werden. Ich freue mich darauf, zu sehen, inwiefern sich das auf den Sound und den Ausdruck der Musik auswirken wird.

Die gesammelten Werke von The November Commandment, einem deiner älteren Projekte, sind vor einiger Zeit auf einer CD erschienen. Kannst du uns etwas mehr zu dem Projekt sagen? Wie würdest du die Band charakterisieren, und was fühlst du, wenn du daran zurückdenkst?
Hmm... da habe ich gemischte Gefühle. Eine Art Hassliebe. Solange ich zurückdenken kann, hatte ich eine starke Affinität zu Klängen, und habe sehr früh entdeckt, dass elektronisch erzeugte Sounds sehr interessant sind. Das führte dazu, dass ich anfing, mit elektronischem Zeug herumzuspielen. Jetzt könnte ich nostalgisch werden und Geschichten über meinen ersten Atari und Sampler erzählen, die nach heutigen Standards total schrottig waren. Aber damals war's nicht so, und es hat sehr viel Spaß gemacht, damit zu arbeiten, und schließlich kam ja auch was dabei raus. Jedenfalls bestand Nov Com aus vier Mitgliedern - Andreas, Ola, Palle und mir. Palle und ich arbeiten immer noch an diversen Projekten zusammen. Ich glaube, dass wir versucht haben, mit Nov Com unseren eigenen musikalischen Weg zu beschreiten - das ist uns wohl nicht immer geglückt, aber die Intention hatten wir. Sicherlich kann man Einflüsse von Bands, die wir zu der Zeit hörten, entdecken. Ich weiß noch, dass ich vorhatte, elektronische Musik zu kreieren, die das Gefühl von normaler "Rockmusik" vermitteln würde. Ich mochte das statische Gefühl nicht, das zu der Zeit in der Musik aus dem Genre sonst vorherrschend war. Und so ist es wohl immer noch. Zwar fasziniert mich heute die Monotonie, doch gibt es für mich einen großen Unterschied zwischen "Statik" und "Monotonie". Mit Nov Com habe ich zum ersten Mal wirklich Musik geschrieben und gespielt. Das war 1987, und musikalisch gesehen war ich noch auf der Suche nach der richtigen Ausdrucksweise. Langsam nahm diese Gestalt an, doch erst als wir beschlossen, dass es an der Zeit war, Nov Com aufzulösen, hatte ich das Gefühl, den richtigen Weg gefunden zu haben. Ungefähr zu dem Zeitpunkt (1994) wurde Sanctum gegründet. Die Nov-Com-Zeit war auf jeden Fall wichtig für mich, und ohne sie wäre ich nicht, wo ich heute bin. Und ich denke auch, dass Nov Com damals zu einigen Weiterentwicklungen in der Szene beigetragen hat. Die CD, die du meinst , wurde 1999 veröffentlicht und heißt "A Motorised Mind". Als das Label mit der Idee ankam, fand ich gut, dass es eine CD geben sollte, die die ganze Nov-Com-Zeit dokumentiert.

Hattest du eine bestimmte Vision oder ein Konzept für die Mago-CD "Definition of Raw Moments from a Different Perspective"? Und hast du erreicht, was du wolltest?
Es hat eine Weile gedauert, bis sich meine Vision herauskristallisierte. Ich wollte sehr warme, langsame und emotionsgeladene Musik erschaffen. Aber das Projekt ging zuerst in eine andere Richtung, mit der Intention, Musik zu machen, die man dem "Dance"-Genre zuordnen könnte. Wer die CD schonmal gehört hat, weiß, dass der Beat sehr verlangsamt wurde. Jetzt ist es nichts mehr für die Tanzfläche :-). Aber nur so konnte ich das Gefühl, das sich in meinem Kopf entwickelt hatte, erreichen.
Ich versuche mich generell nicht auf ein Genre oder einen Stil zu beschränken. Stattdessen versuche ich, den Weg einzuschlagen, der der Vision am ehesten gerecht wird; das dauert zwar manchmal eine Weile, aber es lohnt sich in jedem Fall. Das Resultat wird einfach viel besser, wenn man sich auf diejenigen Elemente beschränkt, die am besten passen. Ich denke, man kann an meinen bisherigen Werken sehen, dass ich mich zwar immer im Bereich der elektronischen Musik bewege, aber auch gern die Grenzen dieses Bereichs erkunde.
Es ist sehr schwierig, mein Konzept für die CD in Worte zu fassen - außerdem gibt es für eine CD mehrere Konzepte, zum Beispiel eins für den Klang und eins für den generellen emotionalen Einschlag des Albums. Und meine Konzepte unterscheiden sich wohl auch davon, wie der Hörer die Musik interpretiert. Das ließe sich nie vollständig kontrollieren. Und das will ich auch nicht. Das ist meiner Meinung nach das Interessante daran - dass die Musik ihre eigene Bedeutung und für jeden Hörer ein anderes Konzept schafft.

Woran arbeitest du im Moment?
Ich bin gerade ziemlich beschäftigt. Hauptsächlich konzentriere ich mich darauf, das neue Sanctum-Album fertig zu bekommen. Darüber bin ich sehr aufgeregt, und es ist ein gutes Gefühl, zu sehen, wie sich alles entwickelt. Ich freue mich sehr, dass unsere Arbeiten an diesem Album in absehbarer Zeit zuende sein werden. Von Zeit zu Zeit war es eine echte Herausforderung, und es war sehr frustrierend, dass es so lange gedauert hat. In den Jahren, die seit "Lupus in Fabula", der 10" Picture-Vinyl und der Live-CD vergangen sind, hat sich Sanctum stark weiterentwickelt. Es wird interessant sein, zu sehen, wie das Publikum darauf reagiert. Ich muss zugeben, dass ich auch ein bisschen nervös bin. Aber ich weiß, dass ich diese CD für mich und nicht für irgend jemand anderen machen muss, und bis jetzt gefällt sie mir gut.
Dann arbeite ich auch noch an Musik für eine Tanzvorführung. Dabei handelt es sich um eine Tanzgruppe namens Agnes, mit der ich schon mehrfach zusammen gearbeitet habe. Ich genieße diese Zusammenarbeit sehr. Es bedeutet mir sehr viel, den kreativen Prozess zu teilen, etwas zu schaffen, das über mehrere Dimensionen verfügt, wie Tanz, Texte und Musik.
Und ich mache noch bei einem kleinen Beitrag für die neue CD der schwedischen Band Soap Box mit, das wird sehr spaßig.

In früheren Interviews hast du gesagt, Sanctum sei keine christliche Band. Wo liegt in deinen Augen der Unterschied zwischen einer "christlichen Band" und "Christen in einer Band"?
Hmm... wenn es nach mir ginge, würde ich sagen, dass es keinen geben dürfte. Musik sollte Musik sein und benutzt werden, um etwas zu erzählen oder Emotionen zu erzeugen. Ich sträube mich sehr gegen Schubladen, in welcher Form auch immer. Von Zeit zu Zeit stellt man mir die Frage, ob Sanctum oder irgendein anderes meiner Projekte christlich sei oder nicht. Dann frage ich mich, warum mir diese Frage gestellt wird. Ich denke, dass viele Leute fragen, weil sie wissen wollen, ob es für sie okay ist, die Musik zu hören. Das ist verrückt. Oder ist die Person, die mir die Frage stellt, so faul, dass er oder sie nicht darüber urteilen will, ob er oder sie einen Bezug zu der Musik herstellen bzw. ihr etwas abgewinnen kann oder nicht?
Also, lasst uns von der Frage nach "christlichen Bands" wegkommen und daran arbeiten, die Leute so unabhängig und stark zu machen, dass sie selbst darüber entscheiden können, was sie hören sollten und was nicht.

Mir hat persönlich die CD von Azure Skies sehr gefallen. Wird es je mehr Material von Azure Skies, eurem gemeinsamen Projekt mit Mental Destruction, geben?
Auf jeden Fall, ich habe über die Weihnachtstage viel Zeit mit Samuel Durling verbracht, und wir haben uns viel darüber unterhalten, was wir als nächstes mit Azure Skies machen wollen.

Wie würde das (musikalische) "Projekt deiner Träume" aussehen?
Mit Menschen zusammen zu arbeiten, die genauso eine große Leidenschaft für die Musik und für das Schaffen von Neuem haben wie ich. Und zum Glück befinde ich mich fast genau in der Situation.

Deine Gedanken zum Thema "File Sharing"?
Das ist ein schwieriges Thema. Einerseits gefällt mir die Idee, dass man so leicht Musik teilen kann, was ja bedeutet, dass man auf diese Weise gute Musik hören kann, an die man ohne diese Option nicht rankommen würde. Ich zum Beispiel will, dass alle, die meine Musik mögen, sie auch hören können. Andererseits jedoch sollten Künstler, die sich die Arbeit machen, gute Musik zu machen, etwas dafür wiederbekommen. Ich denke da an Bands, die kein großes Label hinter sich haben und für ihre Arbeit fast nichts wiederbekommen. Ich glaube, daran denken die Leute nicht, wenn sie Musik downloaden. Für ihr Vergnügen hat jemand viel Kreativität, Zeit und Geld geopfert, und ich finde, dass jeder, der das macht, etwas zurückbekommen sollte. Aber wie schon gesagt, es ist trotzdem cool, dass Leute Musik, die ihnen gefällt, finden und anhören können. Es ist echt schwierig.

Danke für deine Antworten...
Kein Problem, macht ja Spaß.

Interview geführt von Patrick Maiwald; Januar 2004

=> dieses Interview im "Originalton"

=> Crescens Collective (Homepage)

=> The November Commandment - A Motorised Mind (Rezension)
=> Sanctum - Lupus in Fabula (Rezension)
=> Sanctum - New York City Bluster (Rezension)
=> Sanctum - Let's Eat (Rezension)