Die Fragmente des Surrealen


Violette Brandung

"Die Idee von meinem Buche wächst.
Seite für Seite
Blut, Muskeln und fruchtbarer Samen.
Sie alle werden einen Körper Bilden,
der losgelöst von meinem eigenen existieren kann...
Als dessen surreales Abbild"

Diese Zeilen stehen am Anfang der Violetten Brandung - besser gesagt stehen sie über ihr als Einführung, die dem Leser als Verständnishilfe dienen kann. Ich jedenfalls habe sie als Hilfe und Grundlage gesehen, die nach ihr folgenden 14 Kurzgeschichten zu verstehen und zu deuten. Dass sich diese "Traumfragmente", wie Patrik Thiele sie auch selber nennt, wohl niemals zu einhundert Prozent ausdeuten lassen werden liegt auf der Hand. Es ist aber auch keine Eigenschaft des Surrealismus, entgültig deutbar zu sein.

Die Kurzgeschichten sind ausnahmslos fragmentarisch. In der Regel findet man weniger den gewohnten klassischen Handlungsverlauf, der beschrieben wird, und der Geschichten zumeist ihre Form verleiht. Auch fehlen eindeutige Anfangs - und Enpunkte, die den einzelnen Fragmenten einen zeitlichen Rahmen zuweisen könnten. Allerdings muß man festhalten, dass dies keine Mängel, sondern Stilelmittel des Autors sind, die mitverantwortlich für seine Eigenständigkeit und Qualität sind.

Patrik Thiele versteht es, meisterhaft mit einer großen Fülle an bildhaften Beschreibungen Szenerien entstehen zu lassen, die aus meiner Sicht wie gezeichnet wirken. Auf diese Weise formen sich innerhalb einer Kurzgeschichte mehrere Bilder, die ich als Fragmente einer Handlung verstehe. Diese inhaltliche Weichzeichnung wird evtl. von einigen Lesern als nachteilig empfunden, ich denke allerdings, dass der Autor damit den Lesern einen recht großen Freiraum zur eigenen gedanklichen Ausgestaltung seiner Werke an die Hand gegeben hat. Alle diese Bilder dienen m.E. keinem Selbstzweck. Auch die 14 Kurzgeschichten scheinen nur auf den ersten Blick ohne Zusammenhang zu sein. Die Kunst ist es wohl, die vierzehn mit Worten gezeichneten Traumfragmente zu einem Bild zusammenzusetzen. Wieder werden wir das Problem bekommen, dass ein unscharfes, weichgezeichnetes Bild entsteht, dass sich schwer greifen läßt. Bei genauerem Hinsehen allerdings kann der Leser aber vielleicht die Umrisse einer Person entdecken...

Fazit:
Die Violette Brandung von Patrik Thiele ist kein Buch für zwischendurch. Es lässt sich nicht "konsumieren", da es vom Leser in einem gewissen Grade die Interaktion fordert. Für alle, die sich auf diese Ebene einlassen können, und denen der Surrealismus als solcher zusagt, kann ich eine uneingeschränkte Kaufempfehlung aussprechen.

Violette Brandung ist direkt bei Patrik Thiele oder bei der Redaktion der Innenseiten käuflich zu erwerben.

Daniel Keck


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