Die wahren Jesus Freaks?


"Gib mir etwas, für das es sich zu sterben lohnt,
und ich werde mit ganzem Herzen dafür leben."

Oft konnte ich mir in Chats und Diskussionen, in denen es um Glauben ging, von verschiedenen Parteien anhören, welch dunklen Schatten doch das Christentum in seiner Vergangenheit hinter sich her zieht. Und ich glaube, es verging selten ein Gespräch, in dem mich nicht ein Freidenker - oder sich selbst so bezeichnender Heide - an Hexenverbrennung, Kreuzzüge & Co. erinnerte. Das sind die 'Highlights' der glorreichen Kirchengeschichte, die man gern aufgreift, wenn man gegen Kirche, christliche Religion und Glauben argumentieren will. In diese Kategorie zählt auch das Handeln - oder eher das Unterlassen selbigens - der Kirchen im 3. Reich, wie man so auf den ersten Blick gesehen die Verbrechen an Menschen einfach hinnahm (bei genauerer Betrachtung ist der Verhalt nicht ganz so einfach).
Ich will diese Grausamkeiten nicht schönreden oder ignorieren, doch festnageln will ich mich davon auch nicht lassen, sind es doch oft eher rein menschliche Fehltritte von Individuen, fehlgeleitet vom Streben nach Macht und Gier. Ich glaube nicht, dass ein solches Handeln in einer Beziehung zu Gott steht oder von ihm so gewollt ist - auch wenn dies als Vorwand missbraucht wurde.

Demgegenüner steht ein ganz anderes Kapitel des Christentums, welches zumeist übersehen oder verschwiegen wird, auch wenn es durchaus von hoher Aktualität ist.

"Aber vor diesem allen werden sie Hand an euch legen
und euch verfolgen [...] um meines Namens willen."

(Lukas 21:12)

Das Buch, um das es hier geht, in seinem rustikal wirkendem braunen Softcover, handelt auch von einer dunklen Seite des Christentums. Ebenfalls Verfolgung. Diesmal aber nicht durch, sondern von Christen. "Die wahren Jesus Freaks" sind Menschen, die bereit sind, für das, was sie glauben, alles aufs Spiel zu setzen - auch wenn es ihr eigenes Leben ist.

In dem reichlich dreihundert Seiten langen Buch wird in äußerst knapper Form mit einigen Zitaten durchsetzt von solchen christlichen Märtyrern berichtet. Einem jeden kommen gerade nur ein, zwei Seiten zu - also ca. hundert menschliche Schicksale auf engstem Raum - und das Tragische: zumeist enden sie mit dem Tod.

Oder?!

Ich begann das Buch in meinem letzten Urlaub abends vor dem Schlafengehen zu lesen - und ich verschlang es regelrecht. Mit seinen kurzen Begebenheiten, die alle nur mit einem einzigen Wort zu beschreiben sind - nämlich: "krass" - zog es mich regelrecht in seinen Bann. Sobald ich einen Bericht durch hatte, wollte ich auch gleich den nächsten lesen.

Ich denke, was einen - oder zumindest mich - nicht loslässt, sind einfach diese extremen Situationen. Wer hat denn in der heutigen Zeit schon etwas, für das er ohne lange nachzudenken sein Leben einsetzen würde? In der Bibel wird es zwar offen angekündigt, das Christsein kein Zuckerschlecken sein wird (siehe Zitat: Lukas 21:12), doch hierzulande schlagen sich Christen, wenn überhaupt, mit den "kleineren" und "größeren Sünden" herum, streiten sich über Nichtigkeiten, aber müssen keinesfalls damit rechnen, ihr Leben aufgrund ihres Glaubens zu verlieren.

Das ist nicht überall so. Da wird ein kleiner Junge geschlagen, weil er Bibel liest, ein anderer Mann wird auf dem Scheiterhaufen verbrannt, weil er Jesus als seinen Retter sieht, ein Soldat wird nackt im Winter auf einen Hof gestellt um entweder seinen Glauben zu leugnen oder zu erfrieren, eine junge hübsche Frau wird ins Gefängnis gesteckt und gefoltert, weil sie sich weigert, auf die Bibel zu spucken, und einem Pfarrer widerfährt ein ähnliches Schicksal, weil er sich nicht dem Regime beugt.
Und irgendwie scheint alles immer so sinnlos zu sein. Man könnte fast meinen: Wie dumm sind doch all diese Menschen, die einfach in den Tod gehen, weil sie so starrköpfig sind! Beim Lesen verzweifle ich fast und muss schwer schlucken, wenn ich erfahre, wie solche Menschen behandelt werden, nur weil sie eben an etwas glauben, das nicht jeder sieht und anerkennt. Und wie es deswegen mit dem Tod endet...

...oder doch nicht?

Dem christlichen Glauben nach, dem diese Menschen lebten und starben, ist der Tod nicht das Ende, denn sie glauben an eine herrliche Ewigkeit bei Gott. Wie dies nun aussehen mag ist vorerst egal und ist auch nicht Thema des Buches.
Doch nicht nur in diesem Bezug ist ihr Tod nicht das Ende. Ihr Tod sollte nicht vollkommen vergebens sein. Je weiter man liest, desto häufiger trifft man auf Namen, die schon einmal im Buch vorkamen. Da wurde der erfrierende Soldat von hunderten anderen gesehen, die sich nun fragen, was ihn diese Eiseskälte ertragen lies, Gefängniswärter, die ihre Häftlinge folterten, änderten sich, weil diese sie trotzdem mit Liebe begegneten, ein anderer Christ wurde fest in seinem Glauben, da der Mann auf dem Scheiterhaufen seine Arme zum Lob zum Himmel streckte und nicht verbrannte, andere senkten ihre Waffen und waren nicht mehr bereit, sinnlos zu töten, und vieles mehr.

Das ist der Reiz dieses Buches. Das ist es, was mich auch so daran fesselte. Ich weiß nicht, ob es für "Nichtgläubige" unverständlich ist. Diese extremen Situationen eben, wo einem wirklich das Schlucken kommt und man sich fragt, wie können sich Menschen nur so etwas antun - und besonders - wie hätte ich mich verhalten? Wäre ich so stark gewesen? Dieses Buch wirft einige Fragen auf - und ich denke, das ist damit auch bezweckt. Einfach auch mal zu überdenken, was für einen denn wirklich wichtig im Leben ist.
Was ich aber auch positiv empfinde, ist die Tatsache, dass man wie gesagt nicht vollkommen in einem schwarzen Loch stehen gelassen wird. Die (laut Buch) 160 000 Christen, die im Jahre 2000 um ihres Glaubens Willen ihr Leben ließen, starben, auch wenn es oftmals vielleicht den Anschein erweckt, doch nicht vergebens.

Ich kann es nur wärmstens empfehlen - ein paar nachdenkliche Stunden erwarten den Leser...

Die wahren Jesus Freaks wird seit 2001 durch den Schulte & Gerth Verlag (www.gerth.de) vertrieben. Die amerikanische Originalausgabe erschien 1999 unter dem Titel Jesus Freaks Die Änderung des Titels könnte daher rühren, daß es in Deutschland schon ein Buch mit dem selben Titel über die Jesus Freaks International gibt. Als Autoren (?) werden (die Band) "dc Talk" und "The Voice of the Martyrs" genannt. Die einzelnen Begebenheiten sind jedoch aus verschiedenen im Buchanhang aufgelisteten Quellen entnommen.
Den konkreten Preis kann ich leider nicht nennen, da es sich um ein Geschenk handelte, ich schätze aber, dass es unter 10 Euro kostet.

Best.-Nr. 815 717
ISBN 3-89437-717-8

Mathias Reiche, 14. 04. 2002


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