Gothic, Metal, Shock Rock: Musik für die Endzeit

Music for the Next Millennium - Volume I Das Würzburger Label MCM Music präsentiert mit diesem Sampler von 1999 erstmals eine Auswahl dessen, was es an Musik zu bieten hat - inklusive einer Viertelstunde noch nie zuvor gehörter Saviour-Machine-Live-Mitschnitte.

Das Intro "Music for the Next Millennium" - von einem amerikanischen Pastor zu Saviour-Machine-Hintergrundklängen gesprochen - ist eine Art Darlegung der Absicht des Labels: Jugendliche in Underground-Szenen anzusprechen und ihnen die Botschaft des christlichen Glaubens verständlich zu machen - ohne aber den Aspekt der musikalischen Qualität zu vergessen. Im Anschluss an die eineinhalbminütige Eröffnungsrede macht die Ex-Christian-Death-Gitarristin Eva O mit zwei Stücken von ihrem aktuellsten Album Damnation - Ride the Madness den eigentlichen musikalischen Anfang. Sowohl das epische "Stand before the Light", in dem es um ihre Bekehrung geht, als auch die düster-melancholische Gothic-Hymne "Blood Lust" gehören dabei noch zu den eher "harmlosen" - also eher gut hörbaren - Stücken aus ihrer ansonsten teils schwer verdaulichen vertonten Autobiographie.

Auf Eva O folgen dann zwei Stücke vom ersten Rackets & Drapes-Album Candyland. Beim Hören von "Home Street Home" und "Disease of Me" kann man durchaus verstehen, wieso die amerikanische Shock-Rock-Combo, die es als solche (vermutlich) nicht mehr gibt, vor allem am Anfang ihrer Schaffensphase mit Marilyn Manson verglichen und telweise sogar als MM-Abklatsch verschrien wurde. Das Booklet bezeichnet ihren Stil als "Industrial/Thrash", und in der Tat kombinieren sie metallische Gitarren und Schrei-Vocals mit Gruselfilm-Keyboards und Drumcomputer... (Von der europäischen Definition des Wortes "Industrial" kann hier jedoch nicht die Rede sein.)

Die schwedischen Melodic-Metaller Narnia sind ebenfalls mit zwei Stücken (beide vom Album Long Live the King) vertreten - allerdings passen sie stilistisch nicht wirklich zum Rest des Samplers, da ihre Musik nicht im Entferntesten als "schwarz" bezeichnet werden kann. Alt-Metaller werden sich über diese beiden Stücke freuen, während die eher an dunkler Musik Interessierten (wie ich) das Gitarrengedudel (trotz der technischen Perfektion) großzügig ignorieren und ihre Aufmerksamkeit den nächsten Beiträgen schenken werden.

Nach dem Melodic-Metal-Exkurs geht es dann endlich wieder düsterer weiter - und zwar mit der amerikanischen Gothic-Formation Wedding Party. Bei "War Memorial", dem eindrucksvollen Opener ihres (leider) einzigen Albums Anthems sind übrigens sowohl Eric Clayton als auch Nathan Van Hala von Saviour Machine zu hören; bei der melancholisch-emotionalen Klavierballade "Bury the Dead", fallen besonders William und Sheri Watters durch ihre stimmlichen Talente positiv auf.

"Bury the Dead" ist eine gute Überleitung zu "The Night", dem ersten Beitrag von Saviour Machine, der vom Album Legend Part I stammt. Auf einer Seite, die sich mit christlicher schwarzer Kunst und Musik befasst, muss ich wohl nicht mehr viel über Saviour Machine schreiben. Das melancholische Piano und der opereske Gesang Eric Claytons warten mit einer emotionalen Tiefe auf, die man einfach erlebt haben muss. Nach einem nicht minder gänsehauthervorrufenden klavierlastigen Stück, dem "Classical Mix" von "Behold a Pale Horse" (vom Album Legend Part II), folgen als besonderes Bonbon zwei Bonustracks, die so nur auf diesem Sampler erhältlich sind (und die für viele den eigentlichen Grund bilden werden, sich diese CD zuzulegen - von daher werde ich etwas detaillierter auf sie eingehen): Ausschnitte aus dem 1998er Christmas-Rock-Night-Auftritt von Saviour Machine, nämlich "Gog: Death March / The Invasion of Israel" und "The Whore of Babylon". Die erste Hälfte des ersten der beiden Livestücke ist eine abgewandelte Version vom aus der "Legend"-Trilogie bekannten Stück "Gog: Kings of the North", bei dem sich die apokalyptische Instrumentalmusik langsam schichtweise aufbaut und schließlich durch Claytons durch ein Megaphon ins ein Mikrophon gekreischten (!) Kehrvers "Behold the killing fields!" vervollständigt wird, um dann ins hektische, "clean" gesungene Stück "The Invasion of Israel" überzugehen. "The Whore of Babylon" dagegen fällt um einiges entspannter und der Albumversion ähnlicher aus, obwohl die Instrumentierung sich stark von der auf Legend Part II gehörten unterscheidet. Zu den Livetracks lässt sich wohl insgesamt sagen, dass sie beide musikalisch den später auf Live in Deutschland 2002 erschienenen Versionen ähneln, stellenweise jedoch interessanter gestaltet sind (man beachte z.B. das Schlagzeug am Ende von "The Whore..."), rein klanglich dagegen einiges zu wünschen übrig lassen (die Gitarre hätte beisielsweise viel lauter sein müssen...).

Insgesamt ist die Musik auf diesem Sampler ein recht repräsentativer Durchschnitt durch alles, was sich christliche Gothicmusik nennt, und bildet einen guten und vor allem auch preisgünstigen Startpunkt für all diejenigen, die sich als "Outsider" sehen und sich gerne einen kleinen Einblick in die "Szene" verschaffen möchten, wozu auch das informative Booklet beiträgt - wobei man allerdings neben den (größtenteils wirklich gelungenen) Erläuterungen zu den Bands auch noch die Liedtexte hätte abdrucken können. Die CD ist übrigens momentan bei der Stephans-Buchhandlung für etwa 5 € zu erwerben...

Patrick Maiwald, 15. 12. 2003


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