Als Depeche noch in Mode war

Mad at the World Den Namen "Mad at the World" hatte ich bisher nur mit christlichem Hardrock in Verbindung gebracht... bis mir - mehr oder weniger durch Zufall - deren Debut aus dem Jahre 1987 in die Hände fiel.

Was ich hörte, überraschte mich, denn in den Achtzigern spielten MATW den für diese Zeit so typischen synth-lastigen New Wave, und das noch nicht mal schlecht. Obwohl ich in dieser Stilrichtung nicht gerade bewandert bin, meine ich schreiben zu können, dass Band mit dieser CD so authentisch und stilecht rüberkommt, dass sie es durchaus mit weit bekannteren Gruppen wie New Order, Talk Talk oder Depeche Mode hätte aufnehmen können - hätte sie da nicht das kleine Handicap gehabt, auf einem kleinen christlichen Label zu sein und somit nur in christlichen Plattenläden vertrieben zu werden.

Der christlichen Musikindustrie ist es wohl auch zuzuschreiben, dass die kalifornische Gruppe 1990 nach zwei wave-lastigen Alben plötzlich um ein paar Mitglieder anwuchs, ihren Stil hin zum Hardrock/Metal wechselte und somit zu einer der viel zu vielen amerikanischen White-Metal-Bands wurde, deren Namen man zumindest schonmal irgendwo gehört hat: Ihr 80-er-Wave/Synth-Pop hatte sich anscheinend nicht so gut verkauft, wie er es verdient hätte. Schade eigentlich - wer weiß, wie sie sich entwickelt hätten, wenn ihnen die künstlerische Freiheit gewährt geblieben wäre?

Die Musik auf diesem Album bewegt sich, wie bereits gesagt, im Bereich 80er-Wave à la frühe Depeche Mode, wobei der übliche Klangteppich aus Synths, Drumcomputer und Vocals zuweilen durch E-Gitarren ergänzt und abgerundet wird, wie z.B. im genialen Ohrwurm-Opener "Living Dead" oder dem nicht minder eingängigen "Chance of Luck". Frontmann Randy Roses Stimme tönt ausdrucksstark und gibt dem Ganzen einen richtig "traditionellen" synth-poppig-weinerlichen Touch. Den etwas merkwürdigen Sprechgesang/Rap bei "All the Lonely Sheep" hätte man meiner Meinung nach ruhig weglassen können... Aber egal. Das Jahrzehnt der musikalischen Geschmacksverbrechen hat hier wohl seinen Tribut gefordert.

Insgesamt ist dies ein sehr typisches, ziemlich ausgeglichenes und vor allem professionell wirkendes New-Wave-Album, das ich vor allem Freunden der 80er-Musik ans Herz legen möchte.

Die in stylish-artifiziellem britischem Akzent vorgetragenen Texte drehen sich um für christliche Musik typische Themen, ohne dabei flach oder uninspiriert zu wirken. Am besten gefallen mir die Stellen, die in die Gesellschaftskritik übergehen, so z.B. im Stück "Bad Motives": "If I hold a gun or own a mob / Have I become an instant God / Can the biggest weapon give the right / to redefine what's wrong or right?". Leider liegt mir nur die (wenn auch preiswerte) "Classic Archives"-Neuveröffentlichung von KMG Records vor (keine Texte im Booklet, und Aufmachung sechs minus!), bei der das Debut als Doppel-CD zusammen mit dem dritten Album, Seasons of Love, veröffentlicht wurde - leider nicht zusammen mit dem zweiten Werk, Flowers in the Rain, was vielleicht sinnvoller gewesen wäre, da dieses auch noch Richtung New Wave geht (Seasons of Love hingegen war die erste Hardrock-CD von MATW). Wo man heutzutage das Original-Mad at the World-Album oder auch Flowers in the Rain herkriegt, weiß ich nicht; die neuveröffentlichte Doppel-CD Mad at the World / Seasons of Love gibt es derzeit für etwa 5 € bei der Stephans-Buchhandlung zu kaufen.

Patrick Maiwald, 18. 10. 2004

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