Mehr als ein Soundtrack zu schwarzen Gottesdiensten

Irrsterne - Was trägt

Für die musikalische Rahmengestaltung des schwarzen Gottesdienstes "Gothic Christ" beim WGT 2006 hatten sich Mitglieder der Bands Lurid Dawn (Prog/Death Metal) und Monoblock (Gothic/Metal/Prog) zum Projekt "Irrsterne" zusammengetan, um - verstärkt durch zwei weitere Musiker - Lieder rund um das Thema "Der Friede Gottes" zu spielen. Auch 2007 wird es wieder ein Gothic Christ in der Leipziger Peterskirche geben, und die Irrsterne sind wieder mit von der Partie. Mit dem neuen Material zum Thema "Die Liebe Gottes" sind jetzt auch genügend Stücke für ein Debutalbum zusammengekommen: Was trägt erscheint pünktlich zu ihrem zweiten Auftritt.

Die meisten der zehn Tracks bewegen sich irgendwo auf der Skala zwischen "verträumt-nachdenklich-melancholisch" und "spannungsgeladen/aggressiv". So unterschiedlich die musikalischen Hintergründe der insgesamt acht Musiker sind, so eklektisch sind auch die stilistischen Einflüsse auf Was trägt. Wichtigstes Instrument ist die vielfältig eingesetzte Gitarre. Metal-Elemente (sprich Rhythmusgitarren) sind fast durchweg zu finden, allerdings ohne dass sie sich jemals in den Vordergrund drängen; die meisten Stücke legen mehr Wert auf melodische Aspekte als auf Härte. Eine echte Bereicherung für den (für eine Eigenproduktion durchaus annehmbaren) Sound ist das Metallophon, das an vielen Stellen der Musik ein ganz besonderes Flair verleiht (Tipp: das Instrumentalstück "Der Weg, die Furcht"!). Die ausschließlich deutschsprachigen Texte von Frontmann Franz Steinert reihen die Band zunächst grob in die Richtung der neuen Deutschrock-Welle à la Juli oder Silbermond ein; die oftmals melancholischen Mid-Tempo-Gitarrenparts erinnern an den deutschen Gothicrock, wie man ihn etwa von Zeraphine gewohnt ist. Die meisten der Stücke haben auf jeden Fall Ohrwurm-Potenzial (ich hätte das eingängige "Illusion" noch aus der Erinnerung ans Gothic Christ 2006 mitsingen können) - doch steckt mehr unter der Oberfläche, als man zunächst vermutet. Beim wiederholten Hören bemerkt man mancherlei Rhythmuswechsel und subtile Änderungen in den Arragements, die es schaffen, der ansonsten eingängigen Musik der Irrsterne doch einen gewissen Grad an Rauheit und Komplexität zu verleihen.

Bei den Stücken mit Gesang (immerhin sechs an der Zahl) teilen sich Franz und Stefanie Steinert (übrigens eines von drei Ehepaaren (!) in der Band) die Arbeit am Mikro gerecht auf, wobei die beiden Stimmen oft auch inhaltlich verschiedene Rollen übernehmen. Dies entspricht dem Gegensatz zwischen Schein und Sein, der oft Thema der Texte ist: "Ich will keine Ketten, keine Religion / Ich häng' mein Herz an Freiheit, nicht an Illusion" - "Gott [...] ist Geschenk und keine Qual / Kein Dirigent...". Überhaupt sind die Textinhalte naturgemäß christlich-spirituell gehalten - mal geht es um die Suche nach innerem Frieden, mal um die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod, mal um das Tragen seelischer Masken - dabei wirken die Texte jedoch nicht "übergeistlich", sondern durchweg bodenständig und ehrlich.

Ein paar Schwachpunkte hat die CD auch, die nicht unerwähnt bleiben sollten. Zum einen klaffen, wie bereits erwähnt, die stilistischen Einflüsse recht weit auseinander, so dass es schwer fällt, einen "roten Faden" beim Hören zu finden. Bis zum letzten Stück fragt man sich mitunter wirklich, "Wohin die Reise geht" - was aber auch nicht weiter verwunderlich ist, denn völlige Kohärenz wäre wohl bei den Auftragsarbeiten einer Combo, die bislang außerhalb des Gothic Christ nicht extistierte, wohl kaum zu erwarten. Des Weiteren wirkt besonders der weibliche Gesang stellenweise leider etwas forciert. Die Violinistin ist auf dem Album gar nicht zu hören; stattdessen gibt es synthetische Geigenklänge, was zwar nicht schlimm, aber auch nicht gerade schön ist.

Insgesamt ist Was trägt ein vielschichtiges Stück ehrlicher, handgemachter Musik, dessen Stilgemisch nicht nur Gothics begeistern wird. Auf der Myspace-Seite der Band (siehe den Link unten) kann man sich derzeit den Opener "Spiegel" anhören. Bleibt nur noch, den Irrsternen viel Erfolg für ihr weiteres Schaffen zu wünschen - ihr kleines, aber feines Debüt demonstriert jedenfalls, dass sie auf dem richtigen Weg sind.

Patrick Maiwald, 25. 05. 2007


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