Frischer Wind von den Kammermusik-Metallern

Illuminandi - Illumina Tenebras Meas

Nach zwei Demos, die auch schon zusammen unter dem Titel The Beginning erschienen sind, melden sich Illuminandi - zu Deutsch "die zu erleuchtenden" - 2007 mit der EP Illumina Tenebras Meas zurück, die in zwei Versionen erscheint - mit polnischen und mit englischen Texten.

Der erste Eindruck von dieser CD ist der einer konsequenten musikalischen Weiterentwicklung im Vergleich zu den Demos. Die albewährte Mischung aus Metal und Kammermusik bleibt zwar bestehen, doch weist praktisch jedes der fünf Stücke auf Illumina Tenebras Meas eine völlig neue Facette auf. Schon der Opener "The Rider" (hinter dessen Text sich ein Werk des polnischen Dichters Jerzy Liebert verbirgt) beeindruckt mit einer stürmisch-brachialen Gewalt, die sich vor allem in den (etwa an die frühen Extol erinnernden) Kreisch-Vocals zeigt. In der Mitte des Stücks überrascht dann der kraftvolle cleane Gesang (noch dazu mit vorbildlich ausgesprochenem Englisch) von Jan Trebacz, dessen Qualitäten in dieser Hinsicht immer besser werden. Man ärgert sich fast, dass er nur eine Strophe übernimmt. Weiter geht es mit einer aufgemotzten Version des einzigen schon bekannten Stücks, dem mid-tempo-lastigen "The 40th Day", für mich der Tiefpunkt der EP. Rhythmisch bietet das Stück nicht viel, und die Akkordfolgen sind auch nicht sonderlich einfallsreich, doch die möglicherweise aufkommende Langeweile hält nicht lange an, denn die percussionbetonte Psalmvertonung "Hymn of All Creation" begeistert mit einer tanzbaren, keltisch anmutenden Melodie und abwechslungsreichen Vocals. Der fast thrashige Schlussteil (natürlich immer noch mit vollem Streichereinsatz) lässt beinahe an Believer zu ihren besten Zeiten zurückdenken.

Das Semi-Akustik-Stück "The Betrayal" geht wieder in eine andere Richtung. Trebaczs vielschichtig-mehrstimmiger Gesang klagt traurig und düster zu Geige und Akustikgitarre aus der Sicht eines Jesus, der weiß, dass er bald verraten wird. Der positive Eindruck dieser neuen musikalischen Herangehensweise wird erst getrübt, als in der Mitte des Stücks plötzlich erneut death-lastige Vocals übernehmen und es im "altbewährten" metallischen Stil weitergeht - das Stück wirkt durch diesen Bruch leider eher wie zwei halbe Stücke. Im letzten Track, "Is Qui Est", werden wieder alle Register gezogen, und zwar im positiven Sinne. Das Stück setzt nach einigen ruhigen Takten mit einem thrashigen Teil an, der von einer Sopranstimme dominiert wird, die mich spontan an The Vision Bleak denken lässt (hier allerdings ohne die hammermäßige Produktion). Auch der Rest des Stücks ist melodisch wie rhythmisch interessant und vermag auch nach vermehrtem Hören immer wieder zu begeistern. Man kann sich kaum vorstellen, wie gut "Is Qui Est" oder auch "Hymn of All Creation" wohl vor einem Publikum ankommen werden, eine beeindruckende Liveband sind Illuminandi ja ohnehin.

Mein Gemasteindruck von Illumina Tenebras Meas ist ein positiver - die Band hat sich definitiv weiterentwickelt. Soundtechnische Defizite wird man ihnen wohl kaum anlasten wollen, und abgesehen von ein paar langatmigen Stellen sowie den "Stilbrüchen", die sich aus ihrer neuen musikalischen Vielfalt ergeben, haben sie hier eine sehr schöne EP vorgelegt, für die sie hoffentlich bald ein Label finden. Man kann ihnen nur wünschen, dass es in dieser Richtung weitergeht.

Patrick Maiwald, 10. 03. 2007


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=> Interview mit Jan Trebacz (Mai 2004)