I'm dreaming of a black Christmas...

Excelsis - A Dark Noël

Preisfrage: Wie bekommt man nichtchristliche Gothicbands dazu, christliche Texte zu singen? - Richtig, man bittet sie um Beiträge für einen schwarzen Weihnachts-Sampler. Und da Weihnachten wieder einmal naht, soll es mir heute also um den vor einigen Jahren vom amerikanischen Label Projekt veröffentlichten Sampler EXCELSIS - A Dark Noël gehen.

Das Cover wirkt ästhetisch, und auch die Besetzung der CD klingt für Fans schwarzer Klänge vielversprechend: Beispielsweise sind Faith & the Muse, Black Tape for a Blue Girl, Love Spirals Downwards oder auch - für christliche Goths besonders interessant - Eva O im Duett mit Eric Clayton (Saviour Machine) vertreten. Doch hält diese CD, was sie verspricht? - Diese Frage ist, wie so oft im Leben, nicht in jeder Hinsicht eindeutig zu beantworten. Einige Stücke glänzen vor Atmosphäre und Kreativität wie silberne Kugeln an einer Edeltanne, während andere regelrecht dazu einladen, den nächsten Track anzuwählen (und schlimmstenfalls die weihnachtliche Atmosphäre zerstören).

Das Intro "Carol of the Bells" von Arcanta stahlt durch den mönchhaft-hypnotischen Gesang und die Glockensamples, die mich in sehr positiver Weise an Raison d'Être erinnern, eine derartig verträumte Ruhe aus, dass man sich am Ende des Stückes fragt, wo man die letzten 5 Minuten in Gedanken eigentlich verbracht hat. Ideal zum Träumen...

...und eine gute Einstimmung auf das, was folgt: Love Spirals Downwards' wiederum sehr verträumt-weiche Interpretation von "Welcome Christmas", einem Stück, das vor allem amerikanische Kinder aus der Fernsehserie bzw. dem Film "The Grinch" von Dr. Seuss kennen.

Es folgt eine auf Akustikgitarren und Keyboards Interpretation des weitläufig bekannten Weihnachtsliedes "Oh Come All Ye Faithful" ("Herbei, oh ihr Gläubigen") von FuchiKachis Ethu, die ich nicht ganz so gelungen finde (man könnte sich evtl. darüber streiten, ob die unkonventionellen Harmonien, die durch die zweite Stimme erzeugt werden, wirklich passend sind... außerdem gibt es hier mal wieder einen schönen Beweis dafür, dass Amerikaner lateinische Texte gerne mal so aussprechen, wie es ihnen gerade passt). Doch davon lassen wir uns nicht beirren.

Track 4, eine weitere sehr gelungene Interpretation des ohnehin genialen "Carol of the Bells", diesmal von This Ascension, denen William Faith unter die Arme greift, macht alles wieder gut. Dies könnte vielleicht der beste Track auf dieser Compilation sein... sei es wegen der genial geschichteten weiblichen Stimmen, sei es wegen des gemäßigten, aber passenden Einsatzes einer E-Gitarre - das Flair, das dieses Stück ausstrahlt, ist eine sehr gelungene Mischung aus weihnachtlichem und "schwarzem" Gefühl. Unbedingt empfehlenswert!

Aber auch das nächste Stück, "O Come Emmanuel" von Area, besticht vor allem durch süßlichen mehrstimmigen Frauengesang und sphärische Glocken - wobei man bei dem genialen Stück sicher nicht allzuviel falsch machen kann (geht es nur mir so, oder sind englischsprachige Christmas Carols generell besser als deutsche Weihnachtslieder?).

"The First Noel" von Thanatos ist das erste Stück, das mich wirklich zum Weiterschalten reizt. Dabei ist die Idee hinter dem Stück nicht sehr viel anders als bei den bisherigen: Ein traditionelles Weihnachtslied wird hier minimalistisch mit Gitarren, Keyboards und Stimme neu interpretiert. Nur bei der Umsetzung hapert es. Der Sänger trifft vieles, nur keinen Ton. Und seine Rhythmussuppe scheint er auch nicht ganz aufgegessen zu haben. Vielleicht hatte er auch einfach einen schlechten Tag. Kommt vor. Weiter zum nächsten Track.

Die "Jingle Bells"-Interpretation von Loveliescrushing (mit dem treffenden Untertitel "Snowblower") gefällt mir persönlich gut, obwohl ich nicht finde, dass sie atmosphärisch zum Rest dieses Samplers passt. Der Erzähler scheint seinen "one horse open sleigh" durch einen abgaseprustenden Schneepflug eingetauscht zu haben... Geräuschlich nicht wirklich passend.

Und Balderas & Osborn scheinen uns mit "What Child is This?" beweisen zu wollen, dass "Greensleeves" eben doch ein Walzer ist. Na guuut. Nächster Track bitte.

Black Tape for a Blue Girl machen mit "Chanukkah, oh Chanukkah" als einzige auf dieser CD die jüdische Fraktion stark, was auch musikalisch gut wirkt. Die vielschichtigen Stimmen und der hypnotisierende Rhythmus lassen mich mein Weihrauch suchen gehen...

Wem der traditionelle "Little Drummer Boy" (ihr wisst schon, das Lied mit dem "Barrramppadammdamm" oder so) schon immer zu kitschig war, dem wird im nächsten Stück von Sorrow auf die Sprünge geholfen. Hier kommt eine militantere Version des Trommelbuben mit Seitenscheitel und in Springerstiefeln nach Bethlehem marschiert und bringt gleich noch seinen Spielmannszug mit. Weckt vielleicht nicht gerade bei jedem weihnachtliche Gefühle...

Zu "We Three Kings" von Lycia / The Unquiet Void fällt mir nicht viel ein. Der auf des Acapella-Intro folgende Teil erinnert dank seiner atmosphärischen Goth-Instrumentierung wieder sehr stark an die ersten paar Stücke der CD.

Von Eva Os Interpretation von "O Holy Night" war ich ehrlich gesagt ein wenig enttäuscht. Sicher, Eric Claytons opernhafte Background-Vocals ("Behold your King!") stellen das Ganze auf ein recht hohes Niveau, allerdings nervt die zwischen Kirchenorgel und für dieses Stück viel zu aggressivem Piano schwankende Instrumentierung. (Toll, was mein Keyboard alles kann!) Und Evas und Erics Stimmen passen weder von den Tönen noch vom Klang her sehr gut zusammen... Aber auch wenn man aus diesem Stück viel mehr hätte rausholen können - trotzdem sehr interessant für Fans.

"A Winter Wassail" von Faith & the Muse ist das einzige Stück, das kein bisschen schwarz, dafür aber nach echter (englischer) Weihnachts-Folklore klingt (mit Blockflöte, etc.). Sehr gut gelungen.

Autopsia legen ein Sample von einem deutschen Kinderchor ("Stille Nacht") über eine winterlich-dumpfe Klangkulisse - für den einen oder anderen sicher gewöhnungsbedürftig.

Den Abschluss bildet "Silent Night" von Attrition, bei dem anfangs eine (etwa wie eine Mutter, die ihr Kind in den Schlaf singt, klingende) weibliche Gesangsstimme kurz wie eine Stichflamme aus dem Lagerfeuer einer Waldlichtung aufleuchtet, um dann für alle möglichen Horrorgeräusche Platz zu machen. Stille Nacht, unheimliche Nacht... Schlaf in himmlischer Ruh, und nimm dich dabei vor Albträumen in Acht!

Insgesamt muss ich sagen, dass mir dieser Sampler sehr gefällt. Stellenweise ist er natürlich verbesserungswürdig... aber das wird durch die vielen wirklich guten Beiträge wieder ausgeglichen. Stücke wie die von This Ascension, Area oder Love Spirals Downwards sind mir mittlerweile sehr ans Herz gewachsen, so dass ich besonders an Weihnachten nicht mehr auf sie verzichten möchte. Sehr empfehlenswert ist diese CD natürlich auch als Weihnachtsgeschenk, wobei ich mir nicht sicher bin, wo man sie zur Zeit bekommt (ich habe sie mir damals aus den Staaten importieren lassen). In Deutschland meine ich sie mittlerweile auch gesehen zu haben...

Abschließen möchte ich mit einem kleinen Gedicht, das im Booklet abgedruckt ist:

"the king's son calls me the 'dark one'
if he calls me again
i will go with him".

In diesem Sinne: Frohe (und dunkle) Weihnachten!

Patrick Maiwald, 11. 12. 2003

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