Geschmolzenes Metall

Betrayal - Leaving Nevermore Christlich inspirierte Gothicprojekte gibt es vergleichsweise wenige, chistliche Metaller dagegen wie Sand am Meer. Umso erfreulicher ist es, wenn einer der Letzteren "die Fronten wechselt", auch wenn er damit riskiert, deswegen von beinahe aller Welt gehasst zu werden.

Anfang der Neunziger profilierten sich Betrayal als Thrash-/Speed-Metal-Band. Davon ist auf Leaving Nevermore (1999) so gut wie keine Spur mehr zu finden. Betrachtet man den im Booklet abgebildeten schwarz geschminkten Jüngling, kommt man auch nicht auf die Idee, dass er schon was mit Metal zu tun hatte. Stattdessen wartet dieses (beinahe) Ein-Mann-Album mit durchweg elektronischer Musik auf, die sich wohl am treffendsten als Hybride aus ruhigem, nur stellenweise tanzbarem Wave, Elektro und Rockelementen beschreiben lässt.

Obwohl Gitarren fast ständig präsent sind und sogar Soli gespielt werden, spielen sie keine tragende Rolle, wie man es vom Metal her gewohnt ist; vielmehr gehen sie allzu oft mit den mannigfaltig auftretenden Keyboards Melodiesymbiosen ein. Die 11 Tracks kommen soundtechnisch recht gleichförmig daher, sind selten länger als fünf Minuten und sind alle mit traditionellen Songstrukturen versehen. Die meisten Stücke gehen jedenfalls schnell ins Ohr, Lückenfüller gibt es kaum. Der Gesang ist bewegt sich qualitativ im Bereich des Mittelmaßes, und etwas mehr Dynamik in Bezug auf den Lautstärkepegel der Stücke wäre sicher auch wünschenswert - vielleicht wäre es auch schon mit einer besseren Produktion getan.

Aus den meisten Texten sind christliche Inhalte herauszuinterpretieren; das sehr schöne Stück "When" etwa ist um die Aussage "Divine pardon remains" - "Gottes Vergebung bleibt bestehen" herum aufgebaut. Insgesamt bewegt sich Marcus N. Colon, der nicht nur für die Musik, sondern auch für alle Texte verantwortlich ist, weitläufig im Bereich des im Glauben angenommenen Unsichtbaren, wie etwa die Texte "Things Not Seen" oder "The Review" zeigen.

Als Anspieltipps würde ich den Ohrwurm "Sadly" oder auch das 80er-Wave-beeinflusste "Things Not Seen" nennen... insgesamt handelt es sich bei Leaving Nevermore um ein ganz nettes Album, das ich auch nach Jahren gerne immer mal wieder höre, aber sicherlich um keinen Pflichtkauf.

Patrick Maiwald, 25. 05. 2005

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