So einfach geht...

Man nehme eine einigermaßen bekannte, wenn auch nicht B-Promi-kompatible Ex-Moderatorin, Ex-Koluminstin, Ex-irgendwas, verpasse ihr einen Interviewtermin so ungefähr überall, wo es intellektuell dünkelt, lasse sie daselbst irgendetwas post-irgendwas (aber letztlich pseudofeministisches) von sich geben, dann darf sie gepflegt in Buchform vor sich hin schweinigeln und schon ist er da:

Der Skandal!
Der Bestseller!
Die postfeministische Definition von selbstbestimmter weiblicher Erotik!
Die Kampferklärung an alles, was eine Schneide hat, und zur Rasur diverser weiblicher Problemzonen genutzt werden kann!

Oder kürzer: Charlotte Roche muss nie wieder arbeiten. Jedenfalls nicht für Geld.

Natürlich: Neid mischt sich ein. Das hätte ich doch...
Wieso sie und nicht eine von den Gestalten, die wirklich schreiben können, die wirklich sowas wie "Kunst" oder zumindest "Kultur" produzieren?

Hätte eines – nur eines! – der Projekte von Oswald Henke (einem der Künstler, vor dem ich mich wirklich verneigen würde und derer sind nicht viele) die Einnahmen dieses Machwerkes erzielt... - ich bin davon überzeugt, unsere kulturelle Szene wäre eine andere, eine bessere. Und man könnte noch andere Menschen nennen, die es verdient hätten und an denen Ruhm und Reichtum vorbei gegangen sind. So originell sind Roches Ergüsse ja wirklich nicht – Julie Burchill war früher, bissiger, besser. Und erfolgloser. Leider!

Heute freilich bleibt die Erkenntnis, dass die im Titel versprochenen "Feuchtgebiete" de facto Trockengebiete sind, die Trockengebiete nämlich, in denen das, was in Deutschland "Kultur" zu sein beansprucht, in rapidem Tempo versandet.

Und was bei Charlotte Roche noch einigermaßen frech, originell und selbstbestimmt daher kommt, erlebt seinen Super-GAU dann, wenn es um ein anderes, höchst erfolgreiches Phänomen der Gegenwartskultur geht: Um die Casting- (oder besser: Karaoke-)Show "Deutschland sucht den Superstar", kurz DSDS genannt.

Schon der Titel offenbart den Grundwiderspruch des ganzen Unterfangens. Denn ein "Superstar" sollte sich an sich dadurch auszeichnen, dass er entgrenzt und kulturübergreifend anerkannt ist. Wenn nun also ein Land, ein einziges Land, auf die Suche nach einem "Superstar" geht, dann prallt Provinzialismus auf den Anspruch auf Weltgeltung. Eine Kombination, die selten gut gegangen ist, und die meist einfach nur lächerlich wirkt.

Krasser freilich als diese Beobachtung wirkt der Umstand, dass die "Superstars", um die es geht, ja nicht auf der Bühne stehen, sondern sich davor versammeln. Konnte man Dieter Bohlen zu Modern Talking-Zeiten noch geflissentlich übersehen und nicht wahrnehmen, so hat er es nun geschafft, als Teil von "Kultur" wahrgenommen zu werden. Eine Wahrnehmung, die den Bennis, Ranias und Godojs dieser Staffel allenfalls einige kurze Tage zuteil werden wird. Spätestens mit der nächsten Staffel wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben und aus ist mit dem Traum vom Star. Das Ende ist hart. Es heißt "Dschungelcamp". Auch eine Form von "Feuchtgebiet".

Und vor allem: Eine Versandung von Kultur, gegen die das Death Valley eine überströmende Oase darstellt. Und damit voll im Trend.

Ich lehne mich zurück. Höre Emilie Autumn, "Face The Wall". Können trifft auf Wildheit, trifft auf Punk, wird Krach, fordert das Hirn, labt die Seele. Und das in dem Wissen, dass es immer noch Kunst gibt, die einfach ist und die nicht danach fragt, was sie vielleicht einbringen könnte.

Oswald... Come Back. Es ist Zeit!

Heiko Ehrhardt


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