Zwei Weltkriege haben "wir Deutsche" im vergangenen Jahrhundert verloren.

Krieg Nr.1 – der 1.Weltkrieg – wird dabei hinsichtlich Ursachen und Kriegsschuld unter Historikern heiß diskutiert, hat aber auf jeden Fall den Nimbus der militärischen Stärke Deutschlands nachhaltig erschüttert.
Krieg Nr.2 – der 2.Weltkrieg – ist dagegen hinsichtlich Ursachen und Kriegsschuld kaum kontrovers diskutierbar, und hat vor allem den Nimbus der moralischen Überlegenheit des Volkes der "Dichter und Denker" gekostet.
Beides war nicht gut für "uns Deutsche".

Konnte Kaiser Wilhelm II noch stolz sagen: "Wir Deutsche fürchten Gott und sonst niemanden auf der Welt", so hat sich das inzwischen dahin gehend geändert, dass gilt: "Wir Deutsche haben vor so ungefähr allem eine Heidenangst – nur nicht vor Gott."

Und zugleich sind "wir" von dem Drang besessen, in moralischen Fragen nicht nur auf der "guten Seite" sein zu müssen – nein: "Am deutschen Wesen kann die Welt genesen" – zumindest wenn es um Fragen des Klimaschutzes und der damit verbundenen zu erwartenden Apokalypse geht. Denn dieses Thema ist es, was seit Monaten alle Medien beherrscht und was mit zunehmender Hysterie und zugleich fast evangelikalem Moralismus in einer Weise diskutiert wird, dass ruhige, besonnene Stimmen nicht nur kein Gehör finden, sondern direkt unter den Generalverdacht, im Dienst irgendwelcher finsteren Mächte zu stehen, geraten.

Da mich dieser Verdacht relativ kalt lässt, erlaube ich mir, einige Fragen zu stellen, die in der allgemeinen Hysterie ums Klima eher untergehen:

Zum Ersten möchte ich die vermeintliche Überlegenheit von "uns Deutschen" in Frage stellen. Auch wenn es niemand so richtig zugeben mag... - das Gefühl, "besser" zu sein, "besser" zu handeln als die "bösen Amerikaner und Chinesen" kommt in derart vielen Äußerungen vor (meistens in der negativen Frage: "Was können wir denn tun, wenn Amerikaner und Chinesen nicht reagieren?"), dass ich mich frage, ob dies ein Rückzugsgefecht ist, ob es sich um ethisch verklausulierten Antiamerikanismus/Rassismus oder aber um schlichte Dummheit handelt. Denn "die Amerikaner" gibt es nicht, und die Situation "der Chinesen" ist derart anders als die der Amerikaner, dass man dies nicht in einen Satz fassen sollte. Amerika – das ist ein Land, das in Fragen des Klimaschutzes nahezu hälftig zerrissen ist. Neben der offiziellen Bush-Regierung, deren Ignoranz in der Tat ein Skandal ist, steht eine breite Minderheit, die durchaus anders denkt und anders handeln würde. Ließe man sie denn. Und neben bedenkenloser Energiepolitik steht der Bundesstaat Kalifornien, der schon heute so ziemlich die härtesten Emissionsgesetze der ganzen Welt hat. Wohlgemerkt: Mit dem Republikaner Schwarzenegger an der Spitze. So einfach ist das Bild also nicht...
China wiederum ist soviel größer und soviel bevölkerungsreicher als die USA oder gar die BRD, dass die reine Menge des Energieverbrauchs und des CO2-Ausstosses wenig aussagt. Eher im Gegenteil: Würden die Chinesen im Schnitt die Energie verbrauchen, die jeder Deutsche meint, verbrauchen zu dürfen, läge eine echte Katastrophe in der Luft. Nur: Mit welchem Argument eigentlich will eine Gesellschaft, die "freie Fahrt für freie Bürger" für sich reklamiert, eigentlich irgendwem verbieten, selbiges für sich zu reklamieren? Spätestens hier beißt sich die Schlange in den Schwanz. Und das mit Macht.

Zum Zweiten möchte ich die Prognostizierbarkeit der Ereignisse in Frage stellen.
Fakt ist: Die Erde hat sich erwärmt und wird sich weiter erwärmen. Und dann fängt der Streit an... Wieweit wird sich die Erde erwärmen? 1 Grad? 3 Grad? 5 Grad? 6 Grad? In 10 Jahren? In 50 Jahren? In 100 Jahren? Morgen?
So recht kann das niemand sagen. Jedenfalls nicht ohne Gefahr zu laufen, sich zu blamieren. Zu komplex ist die Materie, zu umfangreich die Parameter als dass eine Computersimulation eine einheitliche Antwort geben könnte. Denn: Was geschieht, wenn infolge einer Erwärmung weniger geheizt wird? Was ist mit den periodisch auftretenden Sonnenflecken? Wenn das Wachstum der Pflanzen infolge Erwärmung zunimmt – welchen Einfluss hat das dann auf das Klima? Wenn die Wolkenbildung zunimmt – wo findet sie statt? Fragen über Fragen...

Diese und viele andere Fragen sind mit Simulationen allenfalls in Ansätzen lösbar. Und deshalb ist jede "exakte" Prognose zu hinterfragen.

Und dies gilt nicht nur für die recht einfache Frage nach der Erwärmung. Sie gilt mehr noch für die Frage der Konsequenzen. Auch hier gibt es eine Fülle von Theorien, die einander diametral gegenüber stehen und die mit missionarischem Eifer unters Volk gebracht werden. Von "Weltuntergang" bis zu "Neuem Garten Eden" ist so ungefähr alles vertreten.

Auch wenn medial die Untergangspropheten momentan die Nase vorn haben – die, die keine Katastrophe erwarten, haben nach meiner beschränkten Einsicht die besseren Argumente. Nur dass die keiner hören will und in Deutschland schon gar nicht.

Zum Dritten möchte ich das hinterfragen, was "unsere Politiker" aktuell tun.
Wenn es denn wirklich stimmt, dass es "fünf vor Zwölf" (Minuten oder Sekunden?) ist, und wenn es stimmt, dass nur schnelles Handeln eine Katastrophe verhindern kann, dann ist das, was aus der Politik aktuell kommt, nicht viel mehr als kosmetisches Handeln an einem im Sterben liegenden Leib. Denn Steuerermäßigungen für sparsame Autos/Gebäude/Maschinen oder was auch immer, gekoppelt mit einem Verbot von Glühbirnen, und derartige Vorschläge greifen bestenfalls in Jahren. Eher noch – gemessen an der Lebensdauer moderner Autos – in Jahrzehnten.

Von daher bleibt der Eindruck, dass es im Moment vor allem um Steuergeschenke für die, die sich ein sparsames Auto leisten können, geht. Wogegen die, die dies nicht können, sowohl ein schlechtes Gewissen gemacht als auch die Kosten präsentiert bekommen.

Und vielleicht ist dies die Quintessenz der ganzen Klimaproblematik – ein schlechtes Gewissen für die Einen und Untätigkeit bei den Anderen?

Heiko Ehrhardt


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