Nun hat er also gesprochen, der deutsche Wähler. Und wie im schlechten Western kann man sagen: "Bleichgesicht haben gespaltene Zunge". Denn das, was da an Ergebnis heraus gekommen ist, ist so, dass es de facto ausschließlich Verlierer gibt, da der Wähler nicht geneigt war, eindeutige Mehrheiten zu ermöglichen.

Insofern drückt das Ergebnis auch die Zerrissenheit der gegenwärtigen Bundesrepublik aus: Das Lager derjenigen, die von Reformen profitieren oder die Reformen zumindest nicht fürchten, und das Lager derjenigen, die den status quo am liebsten in alle Zukunft verlängern würden, da sie (zu Recht?) befürchten, dass jede Änderung eine Verschlechterung bedeutet, ist annähernd gleich stark. Also ein gespaltenes Deutschland, das von einem Haufen Verlierer regiert werden soll und das dann noch so, dass am Ende Versöhnung, nicht weitere Spaltung steht ? - Eine Arbeit, die so ist, dass man den sprichwörtlichen Sysiphos beneiden möchte. Denn der hatte "nur" einen Stein zu wälzen. Davon, dass er sich alle vier Jahre zur Wahl stellen musste, weiß die Legende jedenfalls nichts.

Aber zurück zum Thema: Was tun?
Die erste Erkenntnis, die sich hoffentlich in den nächsten Wochen durchsetzen wird, besteht darin, dass man die komplette Verliererriege austauschen muss. Was jedem Fußballverein recht ist, sollte der Bundesrepublik auf jeden Fall billig sein dürfen.

Fangen wir einmal an, Köpfe rollen zu lassen:

Angela Merkel?
Sie hat das Kunststück fertig gebracht, eine eigentlich sichere Wahl noch zu verlieren. Was war alles im Vorfeld prophezeit worden: 40+ Prozent, 45+ Prozent, absolute Mehrheit gar - auf jeden Fall aber ein Ergebnis deutlich über der 40 und deutlich über der SPD. Nun steht sie da... 35 und ein bisschen. Gerade mal ein Prozent Abstand zur SPD. Wähler in Dresden könnten - das wäre der SuperGAU für die CDU - noch dafür sorgen, dass die beiden großen Parteien die gleiche Anzahl an Sitzen im Parlament hätten. Und auch, wenn dem nicht so ist: Der Führungsanspruch, den Frau Merkel vollmundig verkündete, mag bestehen. Aber gewiss wird es dann einen anderen Steuermann geben. Ein, zwei Jahre noch ,und Frau Merkel ist Geschichte. Da ist Politik unbarmherzig.

Gerhard Schröder?
Herr Schröder hat durch seine konstruierte Vertrauensfrage nicht nur die Regierung leichtfertig aus der Hand gegeben. Er hat darüber hinaus den Bundespräsidenten und das Verfassungsgericht unter einen wenig sinnvollen Druck gesetzt. Das, was am Ende dabei heraus kam, war ein halbgares Konstrukt, das vielleicht in diesem Einzelfall seine Berechtigung hatte. Für zukünftige Krisen freilich taugt es nichts. Außerdem haben die Wahlen dazu geführt, dass ein Kanzler, der seiner Kanzlermehrheit nicht sicher war, nun in jedem Fall noch weitaus weniger sichere Koalitionen schmieden müsste, wollte er denn an der Macht bleiben. Herr Schröder hat somit aus der Vertrauensfrage eine Farce gemacht, und allein deshalb wäre es fair, wenn er die entsprechenden Konsequenzen ziehen und einen personellen Neuanfang ermöglichen würde.

Die kleinen Parteien?
Die haben zwar im Grunde alle gewonnen. Aber dieser Sieg bringt nichts ein, da sie entweder zu Koalitionen gezwungen werden, die sie an den Rand des Zerreißens bringen werden (FDP und Grün zusammen würde beide Parteien unwiderruflich beschädigen - unabhängig davon, wem sie sich andienen) oder aber erleben müssen, wie die beiden großen Parteien koalieren. Natürlich kann man es begrüßen, wenn weder FDP noch Grüne als Mehrheitsbeschaffer dienen, und natürlich hätten speziell die Grünen in der Opposition die Chance, sich inhaltlich auf frühere Tugenden zu besinnen - "Sieg" würde ich das dann freilich nicht mehr nennen.

Deutschland?
Der größte Verlierer von allen. Nicht nur, dass die Verfassung eine erhebliche Delle erlitten hat. Nicht nur, dass wir einen Wahlkampf erleben durften, der bei mir ein heftiges "Nie Wieder!"-Gefühl verursacht hat. Vor allem ist es der Umstand, dass jede derzeit vorstellbare Regierung zu einer Reformblockade größten Ausmaßes führen wird, der Kopfschmerz bereitet. Denn ein "Weiter So!" wäre fatal. Und Reformen, die z.B. für eine große Koalition als der derzeit wahrscheinlichsten Alternative weichgekocht werden müssten, wären wohl das Papier, auf dem sie stehen, nicht wert. Auch dann, wenn wider Erwarten eine große Koalition der Vernunft mit neuen, unverbrauchten Leuten entstünde...

Die Lage ist und bleibt farcezinierend.

Heiko Ehrhardt