Ich mag ihn nicht, den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch. Ganz und gar nicht - und Menschen mit offensichtlichen Mensurnarben im Gesicht sind mir darüber hinaus auch noch suspekt.

Und trotzdem komme ich nicht umhin, ihn dieses eine Mal zu loben: Seine Kritik an einer vorgezogenen Steuereform auf Pump mag unpopulär sein. Und gewiß ist es nicht Einsicht, die ihn treibt, sondern parteipolitisches Machtspiel - und trotzdem hat er in der Sache recht.

Betrachten wir einmal die durchaus trüben Fakten: Herr Schröder und Herr Eichel wollen dem Volk ab 01.01.2004 insgesamt rund 18 Milliarden Euro mehr in die Tasche geben. Freilich nicht gleichmäßig verteilt, sondern mit steigender Steuerlast auch ansteigende Erstattung. Dieses Geld soll dann steigendem Konsum dienen, die drohende Deflationsgefahr beseitigen und im Zuge anspringender Wirtschaft letztlich zu mehr Beschäftigung und weniger Arbeitslosigkeit führen.

Soweit die Theorie...

Von überall gibt es Beifall für dieses Projekt - die BILD-Zeitung gar verlieh Schröder den "Steuersenkungsorden". Und natürlich bin auch ich nicht dagegen, mehr Geld zu haben.
Klar.

Und doch stellen sich mir einige Fragen, Fragen, die so gravierend sind, daß ich das gesamte Unterfangen für blanken Unsinn halte.

Die erste Frage betrifft die vermeintlich gigantische Erstattungssumme. Lege ich sie mit den bereits veröffentlichten Tabellen auf meine Familie um, dann ergibt sich eine Erstattung, die in etwa einem monatlichen Volltanken entspricht (!!!). Nun ist das gewiß Geld - aber keinesfalls ein Betrag, der zu Konsumorgien animieren könnte. Und die, die weniger verdienen als ich, werden von der "Wohltat" am Ende so gut wie gar nichts mitbekommen.
Hier also Fehlanzeige.

Schlimmer noch sieht es aus, wenn man die ganz simple Frage stellt: "Wer soll das bezahlen ?" Wie jedes Schulkind spätestens mit der Entdeckung der Exponentialrechung ausrechnen kann, muß man bei handelsüblichen Zinssätzen für jeden geliehenen Euro zwei Euro zurückzahlen. Sollte diese Kalkulation Kanzler und Finanzminister bekannt sein, dann kann ich nur sagen, daß das eine derart teure Methode ist, Wählergunst zu erringen, daß ich die betreffenden Herren schlicht rausschmeißen würde, würden sie in unserem Kirchenvorstand ähnlichen Zinnober anleiern.

Allerdings ist es so, daß es ja auch eine Gegenrechung gibt, die auf einer zaghaften, aber doch vorhandenen Streichung von Subventionen und Vergünstigungen beruht.

So steht etwa die Pendlerpauschale zur Disposition, ebenso die Wohnbauförderung.
Beides halte ich für sinnvoll (die Pendlerpauschale fördert die Zersiedelung der Landschaft und endlose Staus auf Autobahnen und die Wohnbauförderung ist de facto eine gigantische Subventionierung der Bauwirtschaft verbunden mit einer ebenso gigantischen Werbekampagne für die Kreditwirtschaft), beides dürfte aber auch vollkommen unrealistisch sein.

Vermutlich wird die Steuerreform daher dann doch auf Pumnp laufen...

Wenn sie dann wenigstens die gewünschten Erfolge bringen würde.

Doch das halte ich für wenig wahrscheinlich.

Die Tatsache, daß Menschen Geld, mehr Geld sogar, in der Tasche haben, schafft noch nicht automatisch mehr Beschäftigung. Und wenn, dann eher in Osteuropa, in Fernost oder den Billiglohnländern der EU - halt überall da, wo kostengünstiger als in Deutschland produziert werden kann, was nahezu überall der Fall ist.

Von daher denke ich, daß diese Steuerreform in der derzeitigen Form schlichter Unfug ist.

Sinnvoll wäre es dagegen, wenn einmal die Frage gestellt würde, wieso es denn in Deutschland seit mehr als zwei Jahrzehnten immer eines höheren Wirtschaftwachstumes als in jedem anderen westlichen Land bedarf, damit Arbeitslosigkeit erkennbar sinkt.

Dies liegt schlicht daran, daß unser Sozialsystem aus einer Zeit stammt, als Vollbeschäftigung die Regel war, so daß es damals (!!!) sinnvoll und logisch war, wenn das Sozialsystem über Abgaben auf Arbeit finanziert wurde. Dies ist heute nicht mehr der Fall und so ähnelt unsere Volkswirtschaft einem Rennwagen aus dem Jahr 1903, dem man alle vier Reifen durchstochen hat, und der dann in ein Wettrennen gegen den aktuellen Ferrari des Jahres 2003 geschickt wird.
Logisch, wer verliert.

Um dann noch einmal bei Stichwort "Rennwagen" anzuknüpfen: Gesicherten Berichten zufolge verdient Michael Schumacher für ein einziges Rennen - unabhängig vom Ausgang - mehr Geld als ein Arbeiter in seinem ganzen Leben. Zugleich würde er aber - lebte er noch in Deutschland - von der Steuerreform ungleich stärker profitieren als der besagte Arbeiter.

An diesem Punkt gäbe es unstrittig für mutige Politiker genug zu tun.

Heiko Ehrhardt