Ich weiß nicht, wem wir die grundstürzende theologische Erkenntnis verdanken, wonach die Hölle ein Ort ist, an dem es einen englischen Koch, einen amerikanischen Liebhaber, französische Verwaltung und deutsche Fernsehunterhaltung gibt.

Ganz so jedenfalls stimmt das nicht:
Die englische Küche ist sicher besser als Ruf, über französische Verwaltung kann ich mich bislang nicht beklagen, und amerikanische Liebhaber sind spätestens seit Billyboy Clinton rehabilitiert (wer sonst wäre auf derartige Verwendung einer Zigarre gekommen ???).

Bleibt die deutsche Fernsehunterhaltung...
Hier gibt es freilich neben Lichtblicken wie Harald Schmidt und Wilfried Schmickler und erfreulich schrägem Unsinn wie "Zimmer frei" wenig erfreuliches zu berichten. Vor allem die sogenannte "beste Sendezeit" wird mehr und mehr zum Debilentrip.
Wir hatten Schreinemakers live und Verona mit den Dativ, wir hatten Big Brother und bigger flops (Girlscamp, Big Diet und Co.), Verstehen Sie Spaß und Wetten daß, und wem das nicht reichte, dem gab DsdS gnadenlos den Rest.

Richtig schlimm wurde es immer dann, wenn Fernsehen und BILD Doppelpaß spielten, um irgendwelche zweitklassigen Epigonen in den Rang von Trash-Ikonen zu erheben.

So gab es Zlatko und Jürgen, Verona, Naddel und ungezählte namenlose Luder ebenso wie Guildo und Raab, Westerwelle im Container (wäre er doch da geblieben !!!) neuerdings dann Daniel K. (*hüstel* Wen bitte meinst du mit Daniel K.? ~ Anmerkung der Red.) und Alexander - alle mit der Halbwertszeit eines Wahlkampfversprechens. Aus den Augen - aus dem Sinn.
Und das ist auch gut so.

Weniger gut freilich ist der neueste Geniestreich, der ein nahezu perfektes joint venture von BILD und Fernsehen darstellt: Die russische Girliecombo t.A.t.U.

Denn hier kommen alle möglichen, eigentlich vergessen geglaubten Klischees, auf einmal hoch: Angeblich sind sie lesbisch und zugleich nymphoman, trinkfest und unschuldig, jung und zugleich abgebrüht und nie um einen flotten Spruch verlegen.

Die Musik spielt dabei nur eine Nebenrolle - sie ist gewiß nicht schlechter als der Rest, den das Formatradio dudelt. Aber eben auch nicht besser, und von daher sicher nicht der Stoff, aus dem die Hits sind.

Also wird gehyped, was das Zeug hält.

Der Bastelkasten "Ich bau mir einen Star" sieht in diesem Fall so aus:

Vor ihrem Auftritt bei Wetten daß konnte man erleben, wie sich die BILD-Zeitung Tag für Tag mehr ins Delirium textete. Dies macht durchaus Sinn, denn der gewählte Superstar Alexander taugt einfach nicht dazu - er ist gelackt, langweilig, uninteressant und nicht Schlagzeilentauglich.

Also unverbrauchte Gesichter, die dann im Rekordtempo vernutzt wurden:
Von den russischen Lesben war die Rede, die einerseits Udo Jürgens aus der Sexrente holen wollten, und andererseits die mangelnde Standfestigkeit russischer Jungs beklagten, weshalb sie nach ihren Auftritten lieber Mädchen in die Umkleidekabine abschleppen, um da dann bei kreisender Wodkaflasche ihre wilden Gelüste auszuleben.

AAAARRRRGGGGHHHH !!!

Soviele Klischees auf einen Haufen gehören eigentlich völkerrechtlich verboten.
Nicht nur, daß die offenbar für doof gehaltene (oder real doof seiende ?) Schar der Leser zielgerichtet in zwei Gruppen gespalten wird: In die kleine Gruppe derer, die von moralischem Verfall wettern (und "burn the witches" denken) und in die große Gruppe derer, die es immer schon gewußt haben: Weibliche Homosexualität ist vor allem eine Frage des Mangels, des Fehlens eines "richtigen Mannes" nämlich. Nicht nur auch, daß die Umkleidekabine als Ort wilden Treibens ein Relikt aus den Groupieträumen der 60er Jahre ist, das spätestens seit Boris Besenkammer nur noch peinlich wirkt.

Nein - besonders schlimm finde ich, daß mit dieser Melange aus Teensex und Lesbentum auf Instinkte gezielt wird, die ich nur noch nieder nennen kann.

Denn eigentlich sind die beiden Mädels ja ganz nett: Etwas frech, frisch, ansatzweise authentisch und ihre Musik ist gewiß nicht schlechter als das, was man sonst von den No Angels, Jeanette, Britney oder Xtina zu hören bekommt. Und - großes Plus - sie sind weniger gesichtslos als die ewig gleichen Anziehpuppen. Ich würde sie sogar auf der Straße erkennen, was mir bei Jeanette oder J.Lo gewiß nicht passieren würde. Und nur am Rande bemerkt: Der Originalitätsfaktor ist vergleichsweise hoch in einem Land, das vor allem den gefakten Instantrussen Ivan Rebroff und die Bolschoi-Donkosaken für russische Kultur hält.

Also alles nicht so schlimm...

Wenn nur diese Sucht nach ständig neuen Tabubrüchen und vermeintlichen Perversionen nicht wäre...

Denn das eine dürfte klar sein: Spätestens in vier Wochen wird die nächste Sensationssau durchs Dorf getrieben.

Was darfs denn diesmal sein ?

Ein Alphornbläser, der "Old Mc. Donald" dudelt und dabei seine Lieblingskuh beglückt ?

Ein Expriester, der mit seiner Band "The Ministrants" "Voulez vous coucher avec moi" intoniert ?

Angie Merkel, die - auf Domina gestyled - einen an schwarze Koffer gefesselten Helmut Kohl züchtigt und dabei "Girls wanna have fun" singt ?

Oder - mein persönlicher Favorit - Osama b.L., der "New York, New York" singt und im Video die 11.09.special edition des MS Flight Simulators spielt ?

Wer bietet mehr (mails bitte an mich, die beste Idee bekommt einen Preis pehrhadt@t-online.de) ???

Nach unten sind jeweils keine Grenzen gesetzt, solange es noch Menschen gibt, die BILD lesen...

Heiko Ehrhardt