The rifle is my friend. I clean my rifle ev`ry day. Cause the rifle is my friend...

John Cale hat es in seinem Meisterwerk "Mercenaries/Ready for War", zu finden auf einer der besten CDs aller Zeiten, dem Livemitschnitt "Sabotage", auf den Punkt gebracht: Unerbitterlicher Marschrhythmus, Gesang zwischen Kasernenhofton und Drillsergeant, ein sich immer weiter in die Waffenekstase steigerndes durch und durch paranoides Stück, das in knapp acht Minuten den Irrsinn des Krieges auf den Punkt bringt. Weit entfernt von weinerlicher Larmoyanz oder peinlichem Gutmenschentum bringt Cale auf den Punkt, daß Krieg per se Irrsinn ist und daß Waffenfreaks wohl vor allem ein Fall für einen guten Psychiater sind.

Auch Stanley Kubrick fällt mir ein, der den Irrsinn des Krieges auf seine Weise in Bilder faßte (in den drei Filmen "Wege zum Ruhm", "Dr. Seltsam oder wie ich lernte die Bombe zu lieben" und "Full Metal Jacket") und der trotzdem darauf beharrte, nie in seinem Leben einen Antikriegsfilm gedreht zu haben. Realistische oder auch satirische Darstellung des kriegerischen Irrsinns schien ihm das beste Mittel zu sein, vor dem Krieg zu warnen.

Krieg also ist Irrsinn.

Diejenigen, die einen Krieg miterlebt haben, werden es bestätigen. Und die, die das militärisch vollkommen sinnlose Bombardement holländischer, englischer, deutscher, japanischer Städte erleben mußten, werden hinzufügen: Blutiger, feuriger Irrsinn, der nur Wut, Verzweiflung, Asche hinterläßt.

Dies freilich hat sich in Amerika offensichtlich bis heute nicht herumgesprochen.

Vielleicht deshalb, weil fast alle Mitglieder der derzeitigen amerikanischen Regierung nie einen Krieg miterlebt haben ?

Laut "New Hampshire Gazette" können nur Colin Powell und Donald Rumsfeld für sich in Anspruch nehmen, "echte" Soldaten gewesen zu sein. Über alle anderen haben amerikanische Medien ein vernichtendes Urteil gefällt: "Chicken Hawks", Hühnchen statt Falken, Drückeberger (vgl. Weser Kurier vom 27.01.2003).

Ist es dann eigentlich ein Zufall, daß Colin Powell, der einzige, der einen "echten" Krieg erleben mußten (Rumsfeld diente zwischen den Kriegen als Pilot bei der Navy), die mit Abstand moderateste und differenzierteste Meinung zu einem Krieg gegen den Irak hat, die es aus Kreisen der US-Regierung derzeit zu hören gibt ?

Nun muß man aber keinen Krieg miterlebt haben, um zu wissen, daß Krieg Irrsinn ist.

Allein die amerikanische Militärpräsenz am Golf kostet seit 1991 jährlich 50 Milliarden Dollar. Auf den Ölpreis umgerechnet würde das bedeuten, das jedes Barrel Öl aus der Golfregion 100 Dollar kosten würde, wenn diese Kosten auf den Ölpreis umgelegt würden. Dies ist das vier- bis sechsfache dessen, was am Weltmarkt in den letzten zehn Jahren zu zahlen war (vgl. Frankfurter Rundschau vom 20.01.2003).

Wirtschaftlich also wäre ein Krieg ruinös, denn unabhängig vom Ausgang eines Krieges müßte auf Jahre hinaus die Militärpräsenz am Golf verstärkt werden.

Anders herum gefragt: Wenn es stimmt, daß die einzige echte Chance, terroristischen und fundamentalistischen Irrsinn zu begrenzen oder zu beenden, darin besteht, daß auf Aufklärung und Entwicklung gesetzt wird - was eigentlich könnte man alles mit 50 Milliarden Dollar jährlich an Gutem tun ?

Nachhaltig betrachtet wäre dies die bessere Investition, gewiß !

Schließlich noch ein Aspekt, der in den meisten Darstellungen krass vernachlässigt wird: Auch wenn es so sein wird, daß es nur aseptisch reine Bilder ohne Blut, ohne Tod, ohne Leid, ohne Tränen zu sehen geben wird (jeder Egoshooter ist heute blutiger als die Bilder eines Krieges) - es werden Menschen sterben.

Viele Menschen !
Und darunter sehr viele, die vollkommen unschuldig sind.

Das wohl realistischste Szenario sieht derzeit so aus:

Aus der Luft läßt sich die irakische Luftabwehr in ein paar Tagen eliminieren und die irakische Industrie gleich mit. Dies straft allerdings alle die Lügen, die im Irak eine ernsthafte Bedrohung vermuten. Aber sei`s drum im Taumel des scheinbaren Sieges.

Ja - und was dann ?

Die Luftangriffe im 2.Weltkrieg lehren, daß Menschen, die mit dem Feuersturm zu kämpfen haben, alles mögliche tun, um ihr Überleben zu retten - einen Aufstand zetteln sie gewiß nicht an. Wollte man einen demokratischen Umsturz im Irak herbeiführen, dann wäre ein Krieg in jedem Fall die vollkommen falsche Option. Kontakt zur Opposition, Ausbildung, logistische Hilfe, gezielte Destabilisierung des Systems, gezielter Druck durch Verhandlungen mit den Nachbarstaaten und, und, und... Sage niemand, daß ausgerechnet die Amerikaner nicht wissen, wie das geht.

Aber im Falle eines Krieges ? Da werden die Leute sich eher mit ihrem Führer solidarisieren - das belegt jede Erfahrung.

Also ein direkter Angriff auf den Sitz Saddam Husseins ?
Ein Straßenkampf in den Schluchten der 6-Millionen-Stadt Bagdad ?
Sind die Verantwortlichen in ihrem Wahn noch zu retten ?

Das ist keine Partie "Counterstrike", die nach 5 Minuten automatisch endet und dann werden die Gefallenen fair gezählt.

Das wird ein mieser, schmutziger Kampf, von Haus zu Haus und wenn es schlecht läuft (darauf deutet alles hin), sterben mehr Amerikaner als am 11.September.

Terrornetzwerke wie Al-Quaida werden sich gewiß nicht über einen Mangel nach Nachwuchs beklagen müssen.
Und ob sich die kleine prowestliche Oberschicht in Saudi Arabien wird lange halten können, ist eher fraglich.
Insgesamt wird die Region durch einen Krieg wohl destabilisiert - mit allen negativen Konsequenzen.

Daß das dann Irrsinn ist und daß folglich alle, die noch klar denken können, Alles unternehmen müssen, um einen Krieg zu verhindern, bedarf meines Erachtens keiner Begründung mehr.

Heiko Ehrhardt