Lieber George Bush

Ich schreibe Dir heute, obwohl ich denke, daß Du durchaus nicht "lieb" bist. Nach meinem Empfinden - und viele Menschen, nicht nur in meinem, sondern auch in Deinem Land teilen diese Empfindung - bist Du nicht nur nicht lieb, sondern sogar ein durch und durch unsympathischer Zeitgenosse.

Nicht nur, daß Du als texanischer Gouverneur bekannt für gnadenlose Vollstreckung von Todesurteilen warst.
Nicht nur, daß Du Probleme mit Alkohol, Frauen und der amerikanischen Sprache hattest (und wohl noch hast - Legasthenie kann man nicht so ohne weiteres therapieren).
Nicht nur, daß Du über weite Teile Deines Lebens hinweg vor allem von Deinem Namen und weniger von Deinen Leistungen gelebt hast.
Nicht nur, daß Du im eigentlichen Sinne nicht einmal ein gewählter Präsident bist (zumindest dann nicht, wenn man davon ausgeht, daß der, der die meisten Stimmen hat, gewinnt).

Nein - all dies macht Dich zwar fragwürdig, aber nicht unsympathisch.

Auch nicht, daß Du in ignoranter Unkenntnis der Welt außerhalb von Texas (gell - Deinen ersten Reisepaß hast Du als Präsident bekommen und bis heute denkst Du, daß Afrika ein Stast ist ?) glaubst, mit Krieg und Frieden in der sensibelsten Region der Welt einfach jonglieren zu können, wertet Dich in meinen Augen ab. Dafür kannst Du recht wenig und viele Deiner Landsleute sehen dies ähnlich und überhaupt können nicht einmal Fachleute abschätzen, was im Falle eines Krieges wirklich passieren wird.

Wird es einen schnellen Machtwechsel im Irak geben und dann einen Dir ergebenen Statthalter ? (Fraglos Dein Wunschszenario)

Wird es einen längeren Kreig geben ?

Wird infolge dieses Krieges ein in die Ecke gedrängter Saddam Hussein zum Äußersten greifen ? (Nein - nicht zur nuklearen Waffe, die dürfte er nicht verfügbar haben... Wohl aber wäre es fatal, wenn die Ölfelder brennen würden)

Und wird es womöglich eine fortwährende Serie von Racheattentaten geben oder gar einen Krieg in Nahost ?

Niemand weiß es und - wenn Du ehrlich bist - auch nicht Du.
Da können wir nur hoffen.

Was Dich aber wirklich moralisch in Grund und Boden diskreditiert, ist die Tatsache, daß Du nicht mit offenen Karten spielst, daß Du - deutlich gesagt - schlicht ein Lügner bist.

Menschenrechte ?
Krieg gegen den Terror ?
Frieden für die Region ?

Glaub mir - für mich ist und bleibt Saddam Hussein der, der wehrlose kurdische Frauen und Kinder mit Giftgas getötet hat, und der ein unglaublich mieser Tyrann ist. Mehr nicht.
Und ich wäre mehr als froh, wenn er endlich seine Macht verlöre. Die Erde wäre gewiß kein schlechterer Ort.

Allein: Damit ist er nicht allein. Er reicht einem Haufen mieser Diktatoren die Hand. Und - glaub es oder nicht: Eine durchaus beträchtliche Anzahl wurde von Amerika aufgepäppelt, und nicht einmal fallen gelassen, als dem Rest der Welt deutlich war, wie mies sie sind. Ich sage nur Somoza. Oder auch Putin, der in Tschetschenien offenabr machen darf, was er will. Ist ja irgendwie Kampf gegen den Terror.
Woher eigentlich kommen die Waffen im Irak? Da ist doch auch mal ein Diktator hochgerüstet worden, oder? Von Nordkorea ganz zu schweigen.

Seien wir mal ehrlich: Es geht doch am Ende vor allem um Eines: Um Erdöl und damit um Geld. Oder cash, wie ihr in Amerika sagt.

Wie wäre es zur Abwechslung mal mit dieser Wahrheit: Der Krieg findet statt, damit auch in Zukunft Amerikaner absurde Geländewagen fahren, die Umwelt mehr als alle anderen verpesten und unvorstellbar hohe Mengen Energie verbrauchen können. Und das zu Preisen, die jedem Deutschen etwa Tränen in die Augen treiben würden.

Das wäre zwar auch nicht besser als Dein verlogener Moralismus. Aber immerhin wäre es ehrlich.

Wie auch immer...
Uneingeschränkte Solidarität ?
Ohne mich !!

Heiko Ehrhardt