...muß vorher eine Wahl gehabt haben. Zumindest wenn man dem Sprichwort glaubt. Neu aber ist, daß die Qual schon lange vor der Wahl anfängt.

Zumindest bei mir.

Denn schon seit Monaten überlege ich angestengt, wo eigentlich ich mein Kreuz bei der hessischen Landtagswahl guten Gewissens machen kann. Die Alternativen treiben wirklich Furchen des Grams in die Stirn:

Auf der einen Seite ein "Herausforderer", der einer breiten Mehrheit der Hessen schlicht unbekannt ist und der am unteren Ende der Tabelle gegen den Abstieg kämpft (und das noch nicht mal tapfer oder mutig) und auf der anderen Seite der brutalstmögliche Aufklärer vergangener Tage, der so unausgesetzt unsympathisch ist, daß er nicht einmal schlechte Politik machen müßte, um für mich unwählbar zu sein.

Scheinbar hat dies in Hessen Tradition...

Wir erinnern uns an manche Glanzleistung, die von Hessen ausging. An einen Ministerpräsidenten Holger Börner etwa, der vor Jahren der Meinung war, daß man das Problem mit den Grünen zu seiner Zeit auf dem Bau schlicht mit der Dachlatte (sic !) erledigt hätte - der dann aber andererseits nicht genug Dachlatten aufbieten konnte, um eine Koalition mit den Grünen zu verhindern.

Oder auch an Hans Eichel, der zwar nicht von Dachlatten sprach, selbige aber bis heute lebt. Gut - er kann nichts dafür, daß er steif und hözern wirkt.
Er kann auch nicht so viel dafür, daß das mit dem Bundeshaushalt so übel schief geht. Er wird einfach immer nur unfair behandelt...
Immerhin hat er einen guten Start gehabt - wieso eigentlich würde ihm heute kein denkender Mensch auch nur ein Sparschwein anvertrauen ? Vielleicht, weil er als Minister doch eine gewisse Verantwortung hat ? Und überhaupt: Wer hat gesagt, daß das Leben fair ist, Baby ?
Obwohl: Wenn ich an Deinen Pensionsanspruch denke lasse ich mir gerne eine Menge Unfairness gefallen.

Und auf der anderen Seite hat der schwarze Populismus eine lange Tradition. Ich sage nur Dregger, Wallmann, Irmer oder Reif. Jedes weitere Wort hieße, Enten nach Peking zu tragen (oder Koks nach Kolumbien für unsere jüngeren Freunde).

Über allem freilich thront ein Ministerpräsident, der mit fragwürdigen Methoden an die Macht gekommen ist (die unsägliche Unterschriftenkampagne), der es geschafft hat, immer dann, wenn es brenzlig wurde, einen Bauern zu opfern und sich so an der Macht zu halten, dessen "Erfolgsbilanz" nun auch nicht berauschend ist und der immer so wirkt, als ob der Keller, in den er zum Lachen geht, erst noch gegraben werden müßte. Überdies hat er nahezu im Alleingang eine der wirklich sinnvollen Innovationen von rot-grün (das Ausländergesetz) zu Fall gebracht und auch der nur noch heuchlerische "Lügenausschuß" ist auf seinem Mist gewachsen.

Mich zumindest schaudert bei soviel geballter destruktiver Energie.

Da ich aber immer noch der Ansicht bin, daß das Wahlrecht den Sinn hat, Politik mitgestalten zu dürfen und nicht mißliebige Politiker abzustrafen, bleibt beim Gang zur Urne wohl nur die Option, die "kleinen Parteien" so stark zu machen, daß es nicht auch noch zu einer absoluten Mehrheit kommt.

Wenn das nicht die Qual der Wahl ist dann hat das Sprichwort seinen Sinn verloren.

Heiko Ehrhardt