"Deutschland sucht den Superstar" - so brandet es mir aus nahezu allen Kanälen entgegen.
Im Tages- oder Wochenrhythmus nerven BILD, BRAVO, YAM oder wie die Gazetten alle heißen mögen, mit immer neuen Details über die immer kleiner werdende Schar, die entsprechend dem bewährten "Big Brother"-Prinzip (früher nannte man das "10 kleine Negerlein", aber das ist ja inzwischen politisch höchst unkorrekt) irgendwann einmal den Superstar gebären wird.

Natürlich - und es wäre gewiß unfair, dies nicht zu benennen - natürlich wird nicht Lieschen Müller, in der Badewanne trällernd, vor die Bildschirme gezerrt, sondern junge oder zumindest jungwirkende Menschen, die in der Regel eine durchaus gediegene Ausbildung in den Bereichen Musical, Gesang, Tanz oder Präsentation haben. Die Schmerzgrenze wird von daher selten überschritten und die Peinlichkeit üblicher Karaokewettbewerbe unterbleibt.

Trotzdem ist das Ergebnis im Ganzen eher niederschmetternd. So gibt - bzw. gab, er ist überraschend ausgeschieden - es einen Mitbewerber names Daniel Lopez. Ein Latinotyp, den vor allem Dieter Bohlen als kommenden Star auf den Schold hob. Auf mich wirkte er immer ein wenig schmierig und ich denke mal, daß er erhebliche Mühe hat, einen Gebrauchtwagen loszuwerden.

Dann gibt es den Typ Blondine, dessen Namen einem immer sofort wieder entfällt, weil das Klischee gnadenlos alle Individualität weghobelt. Tausendmal gesehen, beim tausendersten mal nicht besser und beim tausendzweiten mal so nervig, daß man um eine Bildstörung nachgerade fleht.

Den Vogel freilich schießt ein gewisser Daniel Küblböck (jawohl: Im Lande von Weißwurst und Stoiber darf man mit so einem Nachname rumlaufen...) ab. Er sieht aus wie Austin Powers minderbemittelter Sohn, läuft in Klamotten rum, die selbst einem Blinden peinlich wären, labert an einem Strang Unfug der Sorte: "Ich kann mir vorstellen, mit einem Mann ins Bett zu gehen - und ich möchte eine große Familie haben" und ist immerhin so ehrlich, daß er zugibt, daß er schon als Kind immer aufgefallen ist. In der Sprache der Teeniezeitung Yam ist so jemand dann "crazy", was für mich immer noch das englische Wort für "verrückt" ist. Aber daß er seinen Weg machen wird, dürfte ausgemacht sein.

Über die restlichen kommenden "Stars" dann den Mantel des Schweigens zu breiten, ist ein Gebot der Höflichkeit.

Anderes ist wichtiger: Der Hinweis darauf etwa, daß derart gezieltes Maximalcasting vor allem dem Zweck dient, sehr schnell sehr viel Geld von offensichtlich bedrückend kritiklosen Jugendlichen abzuzocken. Denn die Vermarktung ist gnadenlos und wie man aus einem leidlich originellen Frauenquintett eine weltweit erfolgreiche Marke macht (die man dann wiederum anderen Marken als Werbeträger anbieten kann) und dabei sehr sehr reich wird, hat Simon Fuller, der Mann hinter der Idee, mit den Spice Girls eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Daß nebenbei RTL derartigen Reibach macht, daß das extrem schlechte Jahre 2002 nicht mehr ganz so weh tut, macht die Marke nur noch begehrter. Und daß das System wie eine Zitrone ausgequetscht wird - und das beliebig oft - ist schon fast sowas, wie eine Lizenz zum Gelddrucken.

Allerdings seien die, die heute noch vom Dasein eines Stars träumen, deutlich gewarnt: Ähnlich wie bei Big Brother werden es vor allem die TeilnehmerInnen der ersten Staffel sein, die eine realistische Chance auf Bekanntheit und Geld haben. Schon die zweite Staffel wird deutlich weniger Interesse finden, und dann geht langsam der Lack ab. Das vorherzusagen bedarf keiner prophetischen Fähigkeiten - oder gibt es ernsthaft Menschen, die denken, daß Bro`Sis auch nur im entferntesten den Erfolg der No Angels erreichen werden ?

So mancher kommende Superstar ist in der Vergangenheit als one-hit-wonder verglüht und das ist auch gut so.

Und vielleicht erleben wir es ja irgendwann einmal, daß die Zielgruppe dahinter kommt, wie sehr sie verarscht wird, daß der Satz: "Stars are born not made by man" wieder wahr wird und vor allem daß es dazu kommt, daß die Frage "Sein oder Design ?" nicht über bunte TV-Formate sondern über tatsächliche Qualität entschieden wird.

Bis das passiert freilich wünsche ich mir eine Supernova nach der anderen, die alle vermeintlichen Superstars in schwarze Löcher pulverisiert.

Heiko Ehrhardt