Ich bin nicht gerade ein leichtgläubiger Mensch. Eher glaube ich gar nichts, als daß ich vorschnell Gerüchten vertraue oder ungeprüft Dinge übernehme. Sagt mir etwa jemand, daß es bei ALDI massenhaft billige Bierbüchsen gibt, bin ich in der Lage nachzurechnen, daß diese Büchsen zwar in der Tat billig sind, daß sie aber andererseits auch nicht viel mehr wert sind und daß die sicher ins Haus stehenden Arztkosten bei der Kalkulation mit herangezogen werden müßten. Von den Kopfschmerzen und der Übelkeit ganz zu schweigen.

Obwohl ich also nicht so schnell von etwas zu überzeugen bin, glaube ich doch eine Sache tief und fest: Die Welt wäre ein besserer Ort, wenn manche Menschen schlicht und ergreifend den Mund halten würden und wenn es eine erkennbare Initiative denkender Menschen gäbe, einige besonders nervige Zeitgenossen aus den Massenmedien heraus zu halten.

Nun ist es gewiß so, daß jede Liste subjektiv ist und daß eine vollständige Liste aller nervenden Erscheinungen meine gesammelte Schaffenskraft wohl deutlich überstiege. Trotzdem veröffentliche ich eine Liste der Zeitgenossen, die mich 2002 derart genervt haben, daß ich sie in 2003 nicht mehr sehen oder hören möchte.

1.) Roland Koch. Was wäre es für ein Fest, wenn ihm der Wähler im Februar den Auftrag erteilen würde, sich in seine Anwaltskanzlei zurück zu ziehen (wie er es für den Fall einer Niederlage angekündigt hat). Zwar ist Gerhard Bökel als Alternative nicht gerade das Größte, seit es geschnittenes Brot gibt, aber immerhin hat Herr Bökel seinen Aufstieg nicht "reichen jüdischen Erben" zu verdanken und immerhin wäre es abzuwarten, ob Herr Bökel im Bundesrat ein ähnlich schlechter Schauspieler wie Herr Koch ist. Außerdem käme Herr Koch im Falle einer Niederlage nicht auf den Gedanken, 2006 Kanzler werden zu wollen - wenn das kein Grund ist...

2.) Jeanette.
Ein dünnes Stimmchen, dünne Kompositionen, eine sumpfdumme soap - ein klarer Fall für die UN-Menschenrechtskommission. Wobei die Hörer das Opfer sind.

3.) Oliver Kahn.
Zu anderen Zeiten hätte man gesagt, daß er beim Fußball alle deutschen "Tugenden" verkörpert wie kein Zweiter: Ehrgeiz, Kampfgeist, Fleiß, vorbildlichen Einsatz und eine gesunde Härte. Nur daß Herr Kahn inzwischen bisweilen lieber Golf spielt, die Deutschen ihre Tugenden scheinbar vergessen haben und er gerade nicht Weltmeister geworden ist mag die Idylle stören. Und vor allem stelle ich mir die Frage, ob die deutschen Tugenden wirklich so vorbildlich sind und ob mir nicht eine Mannschaft, die in spielerischer Schönheit stirbt, wesentlich sympathischer ist.

4.) Gerhard Schröder.
Dies wäre die Stunde, in der Helden geboren werden. Entschlossenes, klares, deutliches Auftreten, eine Vision und deren pragmatische Umsetzung, irgendeine Zielvorgabe, wie es in Deutschland weitergehen soll - dies alles könnte Herr Schröder als Regierungschef leisten. Real wird er immer humorloser, reagiert immer beleidigter und offenbart, daß er wohl nie zum Brandt, sondern immer nur zum verlöschenden Funken taugt. Traurig !

5.) Franz Beckenbauer.
Der redet soviel, daß jedes Wort über ihn Verschwendung wäre.

6.) Alle Topmodels.
Eine traurige Truppe: Essen dürfen sie nichts - jedenfalls nichts, was ich als Essen bezeichnen würde, trinken tun sie nur Mineralwasser extra light (oder extra dry ???), Sex dürfen sie nur insoweit haben, als es keine Spuren hinterlassen darf, Filmkarrieren scheitern mit schöner Regelmäßigkeit, was sich auch von diversen Suizidversuchen sagen ließe. Dafür verdrehen sie dann Millionen eigentlich normaler Frauen den Kopf, nerven in Talkshows und Illustrierten und strahlen die Erotik von PC-Hardware aus. Nun soll es ja Kaputte geben, die mit ihrer CPU ins Bett gehen - allen anderen aber sei die Frage gestellt: "Wer will schon so aussehen wie Claudia Schiffer ?"

7.) George Bush jr., alias POTUS. POTUS (= President of the United States) ist immer noch dabei, eine Achse des Bösen zu bekriegen, die aus eher folkloristischen Gruftkommunisten (Nordkorea) und wirklich unangenehmen Diktatoren der Preisklasse Saddam besteht. Nun ist es ja gewiß kein Fehler, den Terrorismus zu bekämpfen - allein ein paar Fragen seien erlaubt: Wer eigentlich hat wen großgerüstet ?
Und was passiert, wenn die "Achse des Bösen" wirklich zerschlagen ist ?
Und vor allem: Wo liegt eigentlich dieses "Achse" ? Im Atlas steht immer nur Irak.
Die vergleichsweise unwichtigen Fragen nach dem Zustand der amerikanischen Wirtschaft, einer sinnvollen Perspektive für Israel/Palästina, diversen Klimaschutzabkommen oder grundlegenden Prinzipien des englischen Satzbaus gar nicht zu erwähnen.

8. Michael und Ralf Schumacher.
Mag sein, daß ich vollkommen allein stehe - aber: Ich ertrage sie nicht.

9.) So ziemlich der komplette Platz 1 - 20 diverser Hitparaden und alle, die dahinter stehen. Ich weiß - differenziert ist das nicht. Und immerhin gibt es echte Lichtblicke, etwa Peter Gabriel, die Ärzte oder Bruce Springsteen (um nur einige zu nennen) zu entdecken. Und doch bleibt Erschrecken zurück, sollte Karl Kraus Recht haben: "Wenn die Sonne der Kultur tief steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten." Denn nimmt man auch nur die "No Angels" zum Maßstab, dann ist die Sonne längst untergegangen. Oder ist wirklich irgendwer scharf auf eine weitere CD von "Bro`Sis" ?

10.) Kirmesgrufts.
Zitat in einem durchaus repräsentativen Wetzlarer Laden (nein - ich mache keine Werbung aber er liegt neben "Tanjas Piercing" an der Lahnbrücke): "Ich bin auf eine Fete eingeladen bei so Grufties. Was muß ich da anziehen ?" Mehr muß ich - glaube ich - nicht sagen. Schwarz ist mehr als Verkleidung. Hoffentlich auch 2003.

Und wenn die Genannten und noch ein paar andere Nervensägen das Licht (der Öffentlichkeit) fliehen: Ich weiß einen guten Aufenthaltsort. Weit weg von mir und von allen, die sich ihr Recht auf freies Denken nicht nehmen lassen wollen.
In diesem Sinne wünsche ich ein besseres 2003 !

Heiko Ehrhardt